Bus und Bahn für alle

Berlin und Köln haben es schon, Dortmund diskutiert noch: Das Sozialticket soll den Nahverkehr auch für Benachteiligte bezahlbar machen. Denn nur Mobilität sichert gesellschaftliche Teilhabe

VON JÜRGEN BRUNSING

Das Sozialticket ist endlich da – zumindest in Köln. Nach zähem Ringen hat der Rat der Stadt den so genannten Köln-Pass wieder eingeführt. 175.000 Bedürftige wie BezieherInnen von Transferleistungen sowie anerkannte Asylbewerber, aber auch bedürftige Rentner und BezieherInnen von Kindergeldzuschlägen, erhalten in Museen, Bädern, der Volkshochschule und dem Zoo ermäßigten Eintritt. Auch für den Nahverkehr wurde eine Lösung gefunden: Bedürftige können vergünstigte Tickets für das Kölner Verkehrsnetz erwerben. Damit folgen SPD und Grüne dem Druck zahlreicher Initiativen.

In den ersten drei Monaten dieses Jahres wurden in Köln etwa 2.600 Sozialmonatstickets zum Preis von 25 Euro (statt regulär 59,30 Euro) verkauft. Mobilität gerade von Langzeitarbeitslosen sei Voraussetzung für die Rückkehr in den Arbeitsmarkt, so der Pressesprecher der Regionalagentur NRW der Bundesagentur für Arbeit, Werner Marquis. Schließlich ist es wenig motivierend, wenn Ein-Euro-Jobber einen großen Teil ihres geringen Zuverdienstes allein für Fahrgeld ausgeben müssen.

Für Wenigfahrer bieten die Kölner Verkehrsbetriebe (KVB) Vierertickets zum Kindertarif von 4,40 Euro (statt 7,80 Euro) an – eine genial-simple Lösung. Kölns CDU-Parteichef Walter Reinarz, Mitglied im KVB-Vorstand, geht in Modellrechnungen davon aus, dass das Sozialticket Gewinne abwirft – wenn eine Verbund-Sonderregelung genehmigt und die Tickets direkt durch die KVB vertrieben würden. KVB-Sprecher Joachim Berger rechnet dagegen mit einer „Unterdeckung“.

Im Stadtrat beharrten die Christdemokraten auf ihrer ablehnenden Haltung. Ihre Vertreter im Aufsichtsrat des Verkehrsverbunds Rhein-Sieg (VRS) nutzten die dortigen politischen Mehrheiten und lehnten eine verbundweite Einführung kurzerhand ab. Somit freut sich der Fiskus: Weil die Stadt Köln die Verluste, die durch das Sozialticket entstehen könnten, ausgleichen müsste, machen die KVB höhere Gewinne – auf die natürlich Steuern fällig werden.

Auch Dortmund steht kurz vor der Einführung von Pass mit integriertem Sozialticket: Der DGB forderte Anfang der Woche eine Mobilitätsregelung für die 32.000 arbeitslosen Dortmunderinnen und Dortmunder sowie Sozialgeld-Bezieher. Der Vorsitzende des DGB Östliches Ruhrgebiet, Eberhard Weber, sieht Mobilität als entscheidenden Faktor an, um sozialer Isolation und Ausgrenzung entgegenzuwirken. Das Dortmunder Verkehrsunternehmen DSW21 hat derzeit aber keine Modellrechnungen, welche finanziellen Auswirkungen die Umsetzung des „Kölner Modells“ auf Dortmund haben könnte. Ängstlich verweist Sprecher Bernd Winkelmann auf das im vergangenen Jahr eingefahrene Defizit in Höhe von 55 Mio. Euro. „Wir sind nicht unbedingt erfreut über weitere Kosten.“ Winkelmann plädiert für eine Lösung für den gesamten Verkehrsverbund Rhein-Ruhr (VRR) zu einem Ticketpreis von rund 20 Euro im Monat. Einen entsprechenden Antrag hatten die Fraktionen der Grünen aus Dortmund und Bochum bereits Ende 2005 in der Verbandsversammlung des VRR gestellt – erfolglos. Die CDU-FDP-Mehrheit lehnte ab. Das Kölner Modell vor Augen werden die Fraktionen von SPD und Grünen in Dortmund in den nächsten Wochen einen Antrag stellen, um Vorreiter in „VRR-Land“ zu werden.

Grundsätzliche Unterstützung kommt auch von Nordrhein-Westfalens Arbeits- und Sozialminister Karl-Josef Laumann (CDU). Die Einführung des Köln-Passes werde „sehr begrüßt“ so Laumanns Sprecher Walter Godenschweger: „Die Nachahmung und Übertragung auf andere Städte wird landesseitig ausdrücklich empfohlen.“