Auf all deinen Wegen

Ob in der Stadt oder bei der Radtour, bei Sonnenschein oder Schneefall: Die neuen Alltagsräder sind fast überall zu gebrauchen – aber nicht immer auf die leichte Schulter zu nehmen. Abgespeckte Modelle von guter Qualität sind eher selten

von HELMUT DACHALE

Entgegen anderslautenden Gerüchten gibt es keinen Trend zum Zweit- oder gar Drittrad. Wer heutzutage nach einem neuen Fahrrad Ausschau hält, hat zumeist die gleichen Absichten wie die Käufer vor zwanzig Jahren: Er möchte eins für alles. Das Fahrrad für die Mobilitätsbedürfnisse des bewegungsfreudigen Menschen. Es soll ihn zur Arbeit oder zur Uni bringen, wenigstens bei gutem Wetter. Es soll freizeitkompatibel und deshalb möglichst kein Schwergewicht sein, das 20 Kilo und mehr auf die Waage bringt. Lieber ein Bruder Leichtfuß.

Das Fahrzeug heißt Allround-Rad oder Alltagsrad, manchmal All-Terrain- oder auch Street-Bike, häufig Trekkingrad, und auch auf vielen der als Stadt- oder Cityrad verkauften Velos lässt sich der längere Ausflug klaglos überstehen. Laut Zweirad-Industrie-Verband (ZIV) gehören 70 Prozent aller in Deutschland verkauften Fahrräder zu diesen Kategorien. Das Problem ist nur: Die Konfigurationsvielfalt kann noch verwirrender sein als die Typenbezeichnungen. Und auch die Preisunterschiede dürfte mancher Kunde kaum noch nachvollziehen können.

So ist das neue taz-Rad „color“, ein „Trekkingrad für viele Einsatzzwecke“ schon für 699 Euro zu haben. Für andere Modelle, ähnlich annonciert, wird hingegen das Doppelte bis Dreifache verlangt. Um Missverständnissen vorzubeugen: Auch „color“ hat gehobenen Standard, der sich sehen und prima fahren lässt, dazu zählt der Aluminiumrahmen ebenso wie der Nabendynamo von Shimano. Offensichtlich ist der Stand der Technik zurzeit auch für weniger Geld zu bekommen.

Das bedeutet beim Rahmen: Der alte schwere Stahl scheint endgültig ausgedient zu haben – und das nicht nur bei den Universalrädern der oberen Preisklassen. Stahl-Chrommolybdän-Legierungen und Aluminium haben sich längst überall breit gemacht. Ob H-Diamant-Rahmen mit mehr oder weniger stark abfallendem Oberrohr, ob dickes Unterrohr oder andere Geometrieideen – die Gestänge sind, gute Verarbeitung vorausgesetzt, verwindungssteif, aber leicht.

Ein leichtes Rad – genau danach verlange doch der Verbraucher, hieß es treuherzig auf den Fahrradmessen der vergangenen Monate. Doch halt! Würde der Verbraucher nachwiegen, stellte er fest: Mit 16 oder 17 Kilo Gesamtgewicht ist in der Regel immer noch zu rechnen. Kommen Federelemente hinzu, sind auch schon mal 18 Kilo oder mehr in den Keller zu schleppen. Nichts für die leichte Schulter.

Gutes kann halt in der Addition gewichtig sein. Das fängt beim Gepäckträger an, der zwar häufig aus Alu-Rohren gefertigt ist, aber aus so kräftigen, dass er ohne weiteres mehr als zwei vollgestopfte Radtaschen bewältigen kann. Fast immer fällt die Schaltung erheblich ins Gewicht, schließlich will kaum einer auf eine ausladende Übersetzung verzichten.

Deshalb gibt es Kettenschaltungen mit 24 oder 27 Gängen und die dicken Naben, die sieben, acht oder neuerdings auch neun Gänge („Sram i-Motion“) in sich haben. Und bei teureren Boliden kommt Rohloffs Nabengetriebe mit seinen 14 Gängen zum Zuge. Dazu kommt der witterungsunabhängige Nabendynamo, der in doppelter Hinsicht mehr bringt als ein Seitenläufer, dieses Fliegengewicht. Und selbst die breiteren Reifen mit Pannenschutzeinlage sind gewichtsmäßig nicht ohne.

So ausgestattet, kann das Trekking-, Alltags- oder auch Stadtrad tatsächlich eins für alle Wege sein. Doch was, wenn einem das Erscheinungsbild zu opulent, zu wenig sportiv erscheint? Gibt es nichts Abgespecktes, so eine Art Smart-Version? Nur ein paar Hersteller haben den Mut zur Reduktion und versuchen sich an der Reanimation des klassischen Stadtflitzers.

Dazu gehört die Firma MTB Cycletech, die ihr „Simplicity 3“, als „ein lässiges Downtown-Bike“ für rund 700 Euro anbietet. Dafür erhält man ein wirklich leichtes Rad, es wiegt ungefähr 12 Kilo. Kein Wunder, hat es doch keinen Gepäckträger und keine Lichtanlage – und die Schaltung ganze drei Gänge. Die meisten Metropolen, behauptet der Hersteller, seien nun mal steigungsarm, und da sei mehr nicht nötig. Und wer weiß, mit einem geräumigen Rucksack auf dem Rücken lässt sich mit so einem Downtown-Bike möglicherweise sogar die Stadtgrenze überschreiten.