Die Linke fordert ein Volksveto

MEHR DEMOKRATIE Mit 50.000 Unterschriften soll sich in Zukunft eine Abstimmung über jedes Gesetz des Parlaments erzwingen lassen. Weniger Hürden für Volksentscheid

Initiativen, die Volksentscheide anstoßen, sollen Geld bekommen

VON SEBASTIAN HEISER

Die oppositionelle Linksfraktion will, dass die Bürger häufiger über Gesetze abstimmen können. „Die bisherigen Konzepte von Bürgerbeteiligung sind eher dazu gedacht, Einwände wegzumoderieren“, sagte der rechtspolitische Sprecher und Linken-Landesvorsitzende Klaus Lederer am Mittwoch. Seine Fraktion will daher die Hürden für Volksentscheide deutlich senken.

Seit der Einführung der direkten Demokratie vor acht Jahren gab es fünf landesweite Volksentscheide; davon waren zwei erfolgreich. Damit es zu einem Volksentscheid kommt, müssen die Initiatoren innerhalb von sechs Monaten 174.000 Unterschriften von wahlberechtigten Berlinern sammeln – die Linksfraktion will die Hürde auf 125.000 senken.

Zusätzlich will die Linke auch als neues Instrument ein Volksveto einführen: Wenn das Parlament ein Gesetz beschließt, sollen die Bürger innerhalb von drei Monaten mit 50.000 Unterschriften eine Volksabstimmung über das Gesetz erzwingen können.

Darüber hinaus soll das Abgeordnetenhaus die Möglichkeit bekommen, den Bürgern von sich aus eine Frage zur Entscheidung vorzulegen – etwa zur Olympiabewerbung. Das soll nach den Vorstellungen der Linksfraktion aber nur mit Dreiviertelmehrheit im Parlament beschlossen werden können. Der Sinn dieser hohen Hürde ist, „dass sich das Parlament nicht seiner Verantwortung entledigt, Entscheidungen im Regelfall selbst zu treffen“, sagte Lederer. So soll außerdem verhindert werden, dass die Regierung sich eine Entscheidung zusätzlich legitimieren lässt, um Kritikern den Wind aus den Segeln zu nehmen.

Bei der Volksabstimmung – egal auf welchem Weg sie initiiert wurde – soll dann kein Mindestquorum mehr gelten. Bisher müssen 623.000 Berliner zum Wahllokal gehen und mit Ja stimmen, damit das Ergebnis gilt. Zwei Volksentscheide scheiterten an dieser Hürde: im November 2011 die Initiative für die Gründung eines Öko-Stadtwerks und im April 2008 der Volksentscheid über den Erhalt des Flugbetriebs am Flughafen Tempelhof.

Für jede Stimme bei der Wahl zum Abgeordnetenhaus haben die Parteien Anspruch auf 3,50 Euro aus der staatlichen Parteienfinanzierung. Die Linksfraktion fordert eine vergleichbare Finanzierung auch für die Initiativen, die einen Volksentscheid anstoßen. Der Betrag soll allerdings deutlich niedriger liegen, bei „einigen Cent pro Stimme“, sagte Lederer. Bisher bekommen die Initiativen gar kein Geld vom Staat und sind finanziell komplett von ihren Spendern abhängig.

Der SPD-Fraktionsvorsitzende Raed Saleh hatte im Juni ebenfalls vorgeschlagen, landesweite Volksabstimmungen zu erleichtern, indem das Abgeordnetenhaus den Bürgern eine Frage zur Abstimmung vorlegen kann. Als Beispiele nannte er eine Bewerbung um die Olympischen Spiele, die Verlängerung der Autobahn 100 oder den Bau von Stromtrassen. Anschließend lud Saleh zu Diskussionsforen zu dem Thema ein. Durch den Rücktritt des Regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit hat sich allerdings eine neue Situation ergeben: Bevor der Nachfolger feststeht, wird es keine Entscheidung über eine Reform der Volksgesetzgebung mehr geben.