Erstes Urteil zum Ersten Mai

URTEIL Ein Jahr auf Bewährung für Flaschenwurf. „Es war eine Kurzschlussreaktion“, sagt der Verurteilte

Nervös beißt sich der Angeklagte auf die Lippe, als der Richter am Dienstagmittag den Saal 572 im Landgericht Tiergarten zur Urteilsverkündung betritt. Ein Jahr auf Bewährung lautet es – obwohl der Angeklagte bereits eine Bewährungsstrafe verbüßt.

Rico L. war der Erste, der sich nach den Krawallen in der vergangenen Walpurgisnacht der Anklage stellte. Der 25-Jährige musste sich wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung und Widerstands gegen Polizeibeamte verantworten. Zu Beginn des Prozesses gestand er, in der Nacht zum 1. Mai in Friedrichshain eine halbvolle 1,5-Liter-Wasserflasche auf einen Polizisten geworfen zu haben – und entschuldigte sich für seine Tat.

Rico L. gab an, wütend über den groben Einsatz der Polizei gewesen zu sein. „Es war eine Kurzschlussreaktion“, sagte der junge Mann aus Messel bei Darmstadt. Mit dem etwa zehn Meter weiten Wurf habe er niemanden treffen wollen. Neben der Bewährungsstrafe muss der Angeklagte 250 Stunden gemeinnützige Arbeit leisten. Der Staatsanwalt hatte für eine höheres Strafmaß plädiert: ein Jahr und drei Monate. Dagegen sprach sich der Verteidiger für eine Bewährungsstrafe von sieben Monaten aus. Er betonte, dass Rico L. nur zufällig vor Ort gewesen sei und die Flasche nicht aus politischer Überzeugung geworfen hätte. In der Urteilsbegründung sprach der Richter von einer „allerletzten Bewährungsprobe“. Dieser sei zwar bereits wegen Delikten wie Diebstahl und Hausfriedensbruch vorbestraft gewesen, doch hoffe er, mit dem Urteil einen Reifeprozess anzustoßen.

Nach Angaben des Sprechers der Staatsanwaltschaft, Martin Steltner, wurden bis zum gestrigen Dienstag 21 Anklagen gegen mutmaßliche Mai-Randalierer erhoben. Derzeit sitzen neun Beschuldigte in Untersuchungshaft, acht weitere wurden gegen Auflagen von der Haft verschont.

MANUEL OPITZ