Australisches Gift soll nach Europa

Die konservative australische Regierung wird in Kürze grünes Licht für die Ausfuhr von hochgiftigem Sondermüll nach Deutschland geben. Nach jahrelangem Widerstand sagt auch die oppositionelle Labor-Partei Ja zu den Plänen

AUS SYDNEY URS WÄLTERLIN

Wer im Hafengelände von Sydney an den unscheinbaren Gebäuden vorbeifährt, kommt nicht unbedingt auf die Idee, dass hier eine der größten Umweltgefahren des Globus lauert. Der australische Chemikalien-, Farben- und Sprengstoffhersteller Orica lagert in der Anlage unter strikter Bewachung 15.600 Tonnen hochgiftigen Sondermülls. Der Abfallhaufen, der größte seiner Art auf der Welt, ist mit dem Krebs erregenden Hexachlorbenzol belastet und so gefährlich, dass er nur von Robotern bewegt werden kann. Dieser giftige Cocktail wird schon bald auf dem Weg nach Deutschland sein – wenn es nach dem Willen der konservativen australischen Regierung geht.

Umweltminister Malcolm Turnbull hat erklärt, Orica eine Exportlizenz gewähren zu wollen. In Deutschland soll das Material in verschiedenen spezialisierten Verbrennungsöfen vernichtet werden. Der Preis für die Entsorgung ist nicht bekannt – Orica nennt keine Zahlen. Schätzungen gehen von mindestens 50 Millionen Euro aus.

Der Müll, Abfall aus der Herstellung von Lösungsmitteln, ist rund 20 Jahre alt. So lange dauert auch die Debatte, was mit ihm geschehen soll. Australische und seit den jüngsten Entwicklungen auch deutsche Umweltorganisationen fordern, die Altlast müsse auf dem Kontinent selber entsorgt werden. Eine Verschiffung über 16.000 Kilometer nach Deutschland sei unverantwortbar. Bis vor kurzem hatten die Gegner prominente Unterstützung: Der Leadsänger der australischen Rockgruppe Midnight Oil, Peter Garrett, hat sich über Jahrzehnte einen Namen als Umwelt- und Friedensaktivist gemacht. Doch kürzlich änderte der Sänger seine Meinung. „Wir sehen jetzt ein, dass die einzige sichere Entsorgung der Export nach Deutschland ist“, so Garrett. Der Grund für den Meinungswandel: Der drahtige Öko-Rockstar mit der Vollglatze ist seit bald drei Jahren Politiker und heute Umweltsprecher im Schattenkabinett von Labor-Oppositionsführer Kevin Rudd. Sollte dieser Ende Jahr bei den Wahlen den seit über 11 Jahren amtierenden konservativen Premierminister John Howard besiegen, wird Garrett Umweltminister. Umfragen zeigen, dass Rudd gute Chancen hat, Howard vom Sessel zu stoßen.

Die Zustimmung von Labor – nach mindestens zehn Jahren Widerstand – ist aus der Einsicht gewachsen, dass in Australien selber keine befriedigende Lösung gefunden werden kann. Das Angebot des australischen Sondermüllentsorgers Dolomatix, das Material zu vernichten, wurde von Orica mit der Begründung zurückgewiesen, die Firma habe weder die entsprechenden technischen Kenntnisse noch die Kapazitäten. Dolomatix-Chef Jon Doumbos will sich „nicht ausmalen, was passiert, wenn dieser Müll ins Meer fallen würde“, sollte es während der Fahrt nach Deutschland zu einem Unfall kommen. Für Umweltschützer, aber auch für Experten, ist es „skandalös, dass ein Erste-Welt-Land wie Australien seinen Dreck nicht selber entsorgen kann“.

Stattdessen verschifft Australien immer mehr seines besonders giftigen Mülls ins Ausland. Zwischen 2003 und 2005 verdoppelte sich die Menge des ausgeführten Sonderabfalls. Im gleichen Zeitraum verfünffachte sich die Menge des importierten Mülls.