Bischof Hubers Lieblingsfusion geplatzt

Es wäre die bisher größte Verschmelzung zweier deutscher Landeskirchen: Die Evangelische Kirchenprovinz Sachsen sollte mit der Thüringer Kirche zusammengehen. Doch am Wochenende sagten die Vertreter der reicheren Kirche Nein

Der Thüringer Kirche fehlt das Geld. Sie verliert jährlich über 10.000 Mitglieder

WITTENBERG taz ■ Hinterher wirkten die Parlamentarier der Evangelischen Kirchenprovinz Sachsen wie gelähmt. 28 von ihnen hatten dem Vereinigungsvertrag ihrer Kirche mit der in Thüringen am Sonnabend in Wittenberg die Zustimmung verweigert. Zur erforderlichen Zweidrittelmehrheit fehlten zwei Stimmen. Eigentlich war kaum einer der Synodenmitglieder grundsätzlich gegen die Fusion zu einer Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland. Die Skeptiker wollten sie nur nicht so schnell und zu diesen Konditionen.

Damit ist das bisher größte Projekt der Kirchenverschmelzung in Deutschland vorerst gescheitert. Die Fusionsstrategie des Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche Deutschlands, Wolfgang Huber, hat einen Rückschlag erlitten.

Nur fünf Minuten entfernt vom Tagungshotel der Synodalen der Kirchenprovinz Sachsen in der Lutherstadt Wittenberg hatten zur gleichen Zeit in der Universität die Vertreter der Thüringer Kirche knapp für die Vereinigung gestimmt. Ihr Landesbischof Christoph Kähler war verärgert und sprach von „tiefer Enttäuschung“. „Der Ball liegt jetzt in der anderen Hälfte.“ Sein Magdeburger Amtsbruder Axel Noack nahm es gelassener und beschwor die protestantische Tugend, aus jeder Situation das Beste machen zu können: „Der emotionale Schaden ist größer als der sachliche.“

EKD-Chef Huber bedauerte das Scheitern. Er beobachtete die Wittenberger Doppelsynode mit Blick auf ähnliche Vereinigungspläne in Nordelbien und Mecklenburg mit besonderer Aufmerksamkeit. Denn die Probleme, die Landeskirchen zu Fusionen drängen, sind überall vergleichbar: Mitgliederschwund und sinkende Einnahmen. Die Thüringer Landeskirche beispielsweise verliert jährlich mehr als 10.000 Gemeindeglieder. Im Durchschnitt müssen 300 von ihnen ein Kirchengebäude unterhalten. Auch in der Kirchenprovinz Sachsen übersteigt die Zahl der Austritte und Bestattungen die der Kircheneintritte und Taufen bei weitem.

Beide Kirchen bildeten nach losen Kooperationsbemühungen in den Neunzigerjahren seit 2004 bereits eine Föderation. Sie haben zusammen etwa eine Millionen Mitglieder. Die Kirchenprovinz Sachsen hat ihren Sitz in Magdeburg und ist nicht zu verwechseln mit der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche, die einen Großteil des Bundeslandes Sachsen umfasst. Die Kirchenprovinzen Sachsen und Thüringen wiederum sind nicht mit den politischen Grenzen der Länder Thüringen und Sachsen-Anhalt identisch. Die Kirchenprovinz Sachsen entstand nach dem Wiener Kongress von 1815 durch die Aufteilung sächsischer Territorien.

Bisher haben beide Kirchen trotz der Föderation selbstständige Bischofssitze und Kirchenämter in Eisenach und Magdeburg beibehalten. Mit einer formalen Vereinigung ab 2009 sollten nun tatsächliche Spareffekte erzielt und ein gemeinsamer Bischof gewählt werden, um für Verkündigung und Seelsorge wieder freier zu werden. Unverzichtbare Konzession an die Thüringer sollte ein Neubau des Kirchenamtes im ehemaligen Collegium Maius der alten Erfurter Universität sein. Es bliebe damit getrennt vom Bischofssitz in Magdeburg. Daran und an weiteren Finanzfragen rieben sich insbesondere die Skeptiker beim nördlicheren Vereinigungspartner. Ein gemeinsames Finanzgesetz für die vereinigte Kirche steht noch aus und wurde in der erregten Debatte mehrfach angemahnt. Hintergrund ist die bessere finanzielle Lage der Kirchenprovinz Sachsen, die den Vereinigungsdruck mit den armen Thüringer Glaubensbrüdern mindert. Höhere Pachteinnahmen aus Kirchenland, ein günstigerer Staatsvertrag, gute Kollekten und mehr Eigenverantwortung kirchlicher Einrichtungen tragen dazu bei.

In Thüringen sei die Vereinigung im Dialog mit der Kirchenleitung intensiver vorbereitet worden, sagte Synodalpräsident Steffen Herbst. Zwischen der Kirchenprovinz-Synode und der Magdeburger Kirchenleitung besteht hingegen oft ein gespanntes Verhältnis, was auch zur Ablehnung der Vereinigung beigetragen haben könnte. Beide Synoden bekräftigten zum Abschluss jedoch nochmals grundsätzlich ihren Vereinigungswillen. Wie der Fusionsprozess nun wiederbelebt werden kann, ist nach dem Rückschlag allerdings offen. MICHAEL BARTSCH