Alle politischen Lösungen scheinen bereits gescheitert

Somalias neue Regierung betreibt Krieg statt Versöhnung und schürt gefährliche regionale Spannungen. UNO denkt über robustes Eingreifen nach

BERLIN taz ■ Die internationale Strategie zur Befriedung Somalias ist gescheitert. Als Ende 2006 Äthiopiens Armee triumphal in der somalischen Hauptstadt Mogadischu einmarschierte und eine Regierung mitbrachte, waren die Erwartungen groß: Die Islamisten der „Union Islamischer Gerichte“ (UIC), die im Juni 2006 die Macht in Mogadischu übernommen hatten, gaben kampflos auf. Die neue Übergangsregierung unter Präsident Abdullahi Yusuf sollte mit massiver Auslandshilfe einen Versöhnungsprozess in Gang setzen.

Keine vier Monate später steht diese Politik vor einem Scherbenhaufen. Mogadischu ist in einem Krieg versunken, der nach Meinung von Beobachtern heftiger ist als alles, was die leidgeprüfte Metropole seit dem Sturz der letzten somalischen Zentralregierung 1991 erlebt hat. Die Regierung von Präsident Yusuf streckt ihren geschlagenen Gegnern nicht die Hand aus, sondern bekämpft sie als Terroristen: Eine ursprünglich für 16. April geplante somalische Versöhnungskonferenz wurde kürzlich auf Juli verschoben. Mogadischus Bevölkerung wiederum bekommt von der neuen politischen Ordnung vor allem die Militärpräsenz Äthiopiens mit. Äthiopiens Armee ist in Somalia ungefähr so beliebt wie die Rote Armee einst in Polen.

Die Unversöhnlichkeit radikaler Elemente rund um Präsident Yusuf hat ihre engsten Verbündeten in den USA enttäuscht und die neue somalische Regierung tief gespalten. Wichtige Figuren wie Parlamentspräsident Sharif Hassan Sheikh Aden und Vizepremier Hussein Aidid haben sich losgesagt. Ende vergangener Woche riefen sie in Eritrea zum sofortigen Abzug Äthiopiens aus Somalia und einem neuen somalischen Friedensprozess auf.

Die Gegner Präsident Yusufs in Somalia sind automatisch Freunde Eritreas, weil Eritrea der militärische Gegenspieler von Yusufs Freund Äthiopien ist. Das macht im regionalen Kontext Sinn, verleiht aber dem Konflikt in Somalia eine gefährliche internationale Dimension. Die Angst: Äthiopien und Eritrea könnten wegen Somalia erneut gegeneinander in den Krieg ziehen wie bereits 1998–2002. Das bereitet der internationalen Diplomatie am Horn von Afrika derzeit fast noch mehr Sorgen als die mögliche Erstarkung radikaler Islamisten. Gestern trat Eritrea aus der Regionalorganisation des Horns von Afrika, IGAD (Inter-Governmental Authority on Development), wegen deren „proäthiopischer“ Linie aus und damit aus dem einzigen zwischenstaatlichen Dialogforum der Region.

Äthiopien sagt, man werde aus Somalia abziehen, sobald die Afrikanische Union (AU) ihre im Januar beschlossene 8.000 Mann starke Friedenstruppe in Mogadischu stationiert. Bisher stehen aber nur 800 Soldaten aus Uganda am Flughafen der umkämpften Hauptstadt herum, und weitere sind nicht in Sicht. Es ist ein Teufelskreis: Je länger in Mogadischu gekämpft wird, desto unwahrscheinlicher sind weitere AU-Truppenentsendungen, und desto länger bleibt Äthiopien, was den Krieg wiederum verlängert.

Angesichts des Desasters soll der UN-Sicherheitsrat diese Woche über alternative Eingreiftruppen beraten. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon hat eine „Koalition der Willigen“ ins Gespräch gebracht, um in Somalia robust einzugreifen. „Eine UN-mandatierte Operation, durchgeführt von einer Koalition der Willigen mit der Kapazität zum Umgang mit der hohen paramilitärischen Bedrohung“, wäre die beste Option für das drohende Szenario des Scheiterns aller politischen Lösungen, so der UN-Generalsekretär in einem Bericht vom Freitag.

Man müsse, so der UN-Bericht weiter, eine sogenannte „Over the horizon“-Truppe planen, also eine in Reserve stehende schnelle Eingreiftruppe, die kurzfristig entsandt werden könne. Solche Eingreifmodelle hat in Afrika zuletzt die EU in der Demokratischen Republik Kongo bei der Absicherung der Wahlen 2006 ausprobiert. Nur war Kinshasa damals, verglichen mit Mogadischu heute, das reinste Paradies. DOMINIC JOHNSON