Die Weltbürgerin

Bekannt ist sie bei allen, die mit ihr zu tun hatten, als Minouche. Viel mehr ist bisher hierzulande allerdings nicht bekannt über die Frau, die auf einmal für den Internationalen Währungsfonds (IWF) die Krisenverhandlungen in der Eurozone führt. Nemat Shafik, 48 Jahre alt, ist eine der drei VizedirektorInnen des Fonds. Den Posten hat sie erst im April dieses Jahres angetreten. Nun vertritt sie in Brüssel ihren Chef, den in New York wegen des Verdachts der versuchten Vergewaltigung inhaftierten Dominique Strauss-Kahn.

Beim IWF traut man ihr offenbar einiges zu, denn bei den Euro-Krisenverhandlungen geht es um viel Geld. Das beschlossene 78-Milliarden-Euro-Rettungspaket für Portugal wird zu einem Drittel vom Fonds finanziert. Die Europäer sind dennoch eher verunsichert. Der Franzose Strauss-Kahn kommt immerhin aus einem Kernland der Europäischen Währungsunion. Bei ihm durfte man auf Verständnis und Entgegenkommen hoffen. Shafik aber ist Ägypterin. Noch besser trifft allerdings die Beschreibung Weltbürgerin auf sie zu.

Schon in den 1960er Jahren verließ ihre Familie zeitweilig Ägypten. Shafik wuchs teilweise in den USA auf und studierte Wirtschaft in Kairo, Massachusetts, London und Oxford. In all diesen Ländern arbeitete sie später auch. Außerdem ist sie Staatsbürgerin aller drei Länder.

Einen ihrer ersten Jobs hatte sie bei der Weltbank. Dort stieg sie mit 36 Jahren zur jüngsten Vizepräsidentin auf, die die Bank je hatte. Außerdem war sie die erste Frau auf dem Posten. Später ging sie wieder nach Großbritannien, wo sie die Leiterin der staatlichen Entwicklungsagentur (Department for International Development, DFID) war. 2009 wurde sie für die Förderung von Minderheiten von einer britisch-indischen Zeitschrift zur Frau des Jahres gekürt.

Für Nemat Shafik dürfte die Eurokrise eine neue Herausforderung sein, denn bislang hat sie sich eher als Entwicklungsexpertin einen Namen gemacht. Und dafür habe sie sich schon als Kind zu interessieren begonnen, sagte sie einmal in einem Interview. Denn da habe sie in dem ägyptischen Dorf ihrer Mutter akute Armut und ihre Folgen gesehen, erklärte sie.

NICOLA LIEBERT