Familienvater spielt Haschdealer

Sechs Jahre nach einem gescheiterten Drogengeschäft verurteilt das Landgericht einen 51-Jährigen zu zehn Monaten. Er hatte versucht, einem Kneipengast ein Kilogramm Marihuana zu verkaufen – doch das Dope war zu schlecht

Die Anklage klingt hart: Mit 37 Kilogramm Haschisch und 92 Kilogramm Marihuana soll Horst K. im Sommer 2001 gehandelt haben. Am Ende der Verhandlung wird der 51-Jährige vom Landgericht wegen versuchten Handels von etwa 1 Kilogramm Marihuana zu einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten zur Bewährung verurteilt.

„Herr K., das ist ja nun schon eine uralte Geschichte“ – mit diesen Worten eröffnet Richter Ralph Ehestädt die 70-minütige Sitzung. Sie ist der Appendix einer Drogenhandelskette, die vor zehn Jahren mit der Verurteilung zweier Großdealer zu mehrjährigen Haftstrafen begonnen hatte. Kaum waren die beiden im Gefängnis, formierten sich deren Mitstreiter zu einer neuen Bande. Unter ihnen Jürgen K., den der Angeklagte Horst K. seit 30 Jahren kennt: „Er ist für mich wie ein Bruder.“

Jürgen K. stellte von 1997 bis 2001 seinen Keller in der Bülowstraße als Drogenversteck zur Verfügung – in einer Alukiste lagerten Haschisch und Marihuana. Horst K., der breitschultrige Mann mit der schwarzlockigen Haarmatte, durfte in jenem Keller Autoreifen und Werkzeug aufbewahren und sich aus jener Kiste für seinen eigenen Haschischkonsum bedienen.

„Wie sind Sie überhaupt auf die bescheuerte Idee gekommen, mit Drogen zu handeln?“, will der Richter von dem bislang nicht vorbestraften Horst K. wissen. Dessen Antwort: „Es ging uns finanziell sehr schlecht, uns saßen die Inkasso-Büros im Nacken, und dann gab es zufällig diesen Herrn in der Kneipe.“ Dort arbeitete Horst K. damals, als ihn jener Gast fragte, ob er ihm ein Kilo Gras verkaufen könne. K. brachte dem Kaufinteressenten ein paar Gramm zur Probe. Doch der beschwerte sich über die Qualität. „Es war wohl nicht gerade dolles Zeug“, bestätigt der Richter diese Angaben. Der Handel platzte, für Horst K. zerschlug sich die Aussicht auf seinen Verkaufsanteil von 300 Mark.

Dafür begann der Ärger: Drei Monate lang wurden Horst K.s Telefonate mit Jürgen K. überwacht. Die Ermittler stolperten über so kryptische Sätze wie „Ist Annette noch da?“, „Hast du dir von den kleinen Beeren genommen?“, „Ich will die Pferdchen holen“ und Begriffe wie „Ein M 2“ und „6 plus 1“. Bei so viel Geheimniskrämerei zogen sie sogar Aussagen wie „Das Essen ist fertig“ in Zweifel. Vor Gericht gibt Horst K. zu, dass „Annette“ die Qualität des Grases beschrieb und er mit „6 plus 1“ eine Bestellung aufgegeben hatte.

Im Spätsommer 2001 verbrachte der verheiratete Familienvater von zwei Kindern zwei Wochen in Untersuchungshaft. 2005 wurde das Verfahren gegen die fünf geständigen Drogendealer aus der zweiten Reihe mit Bewährungsstrafen abgeschlossen. Nur Horst K. wollte nichts gestehen, er sei unschuldig. Also wurde das Verfahren gegen ihn abgetrennt. Das Gericht empfahl ihm weiterhin, sich lieber ein Geständnis zu überlegen, als eine lange, kostspielige Beweisaufnahme zu riskieren. 2006 erkrankte Horst K.s Strafverteidiger. Erst der dritte Anlauf gestern führte dazu, „dass wir das Ding mal irgendwie erledigen können“, wie es Richter Ehestädt formuliert. UTA FALCK