Korrekte Behinderungen

Nach einem Streit über den Nachweis der Handikaps darf die Nationalmannschaft der Menschen mit Behinderung ihre WM-Medaillen behalten, obwohl sie vom Weltverband disqualifiziert worden ist

VON ANDREAS RÜTTENAUER

Willi Breuer hat die deutsche Nationalmannschaft als Trainer auf Platz drei der Fußball-WM der Menschen mit Behinderung geführt. Jahrelang war er als Honorarbundestrainer für die Fußballer im Deutschen Behindertensportverband (DBS) verantwortlich. Obwohl er im März dieses Jahres sein Engagement für den DBS beendet hat, gehört sein Herz immer noch den behinderten Fußballern. Am vergangenen Wochenende besuchte er das Team, das zu einem Lehrgang in der Sportschule Wedau in Duisburg zusammengekommen war. Acht Spieler des WM-Kaders sah er da wieder. Die sprachen vor allem über ein Thema: Über die Entscheidung des Internationalen Behindertensportverbandes (Inas-Fid), dessen Exekutivkomitee sich am Freitag in Tunis noch einmal mit der WM in vergangenen Spätsommer in Deutschland beschäftigt hat. Verhandelt wurde ein Protest des DBS gegen die Disqualifikation des deutschen Teams, die der Weltverband im November ausgesprochen hatte. Nun ist die Entscheidung gefallen. Die Disqualifikation bleibt bestehen. Die Fußballer allerdings dürfen ihre Medaillen behalten. Willi Breuer ist heilfroh: „Das heißt doch, dass der sportlich errungene dritte Platz berechtigt war. Das ist eine gute Nachricht.“

Die Inas-Fid hatte dem deutschen Team im November den dritten Platz aberkannt. Die geistigen Behinderungen der Spieler seien nicht ausreichend dokumentiert worden. Alle Fußballer mussten nachweisen, dass ihr Intelligenzquotient nicht über 75 liegt und sie den Alltag nicht ohne fremde Hilfe bewältigen können. Die Handikaps müssen auf zwei Ebenen überprüft werden. Zum einen muss eine Bestandsaufnahme vor Ort vorgenommen werden, die unter anderem das alltägliche Leben des Sportlers dokumentiert. Auf einer zweiten Ebene muss das Ergebnis im Rahmen einer Supervision überprüft werden. Weil die beiden Ebenen nicht von unterschiedlichen Sachverständigen bearbeitet wurden, konnten die Gutachten nicht anerkannt werden. Das wurde in Tunis bestätigt. Es wurde aber auch festgehalten, dass die deutschen Berichte an sich korrekt sind. „Unsere Sachverständigen sind voll rehabilitiert. Alle Sportler sind korrekt behindert“, sagte der Präsident des DBS, Karl Hermann Haack, der in Tunis letztlich vergeblich für die Aufhebung der Disqualifikation gekämpft hatte. Zu dieser hatte eine weitere Panne beigetragen. Die Gutachten waren nie beim Weltverband eingegangen. Der DBS hatte versäumt, sie per Einschreiben zu versenden.

Die Diskussion in Tunis wurde auch deshalb so hart geführt, weil sich die Inas-Fid keine Nachlässigkeiten im Umgang mit den Gutachten nachsagen lassen will. Denn der Verband kämpft vor Gericht darum, dass zukünftig wieder Menschen mit geistiger Behinderung zu den Paralympics zugelassen werden. Nach den Paralympics 2000 in Sydney waren die Wettbewerbe für Menschen mit geistiger Behinderung aus dem Programm gestrichen worden. Das spanische Basketball-Team war seinerzeit mit zehn Nichtbehinderten angetreten – und hatte gewonnen.

Auf Antrag des englischen Verbands kam es letztlich zu der Entscheidung, die Disqualifikation aufrechtzuerhalten, weil die Behinderungen in der Tat nicht korrekt dokumentiert waren, und andererseits die Sportler nicht zu bestrafen, zumal die Gutachten deren Behinderung nachweisen. Der DBS, der die WM veranstaltet hatte, muss nun noch einmal ein paar Bronzemedaillen nachprägen lassen. Damit sollen dann die Spieler Südafrikas, die das Spiel um den dritten Platz verloren hatten, ausgezeichnet werden. Darüber hinaus gelobt der DBS Besserung. Um die Struktur des Verbandes zu überprüfen und mögliche Schwachstellen zu erkennen, wurde mit Michael Rosenbaum ein Unternehmensberater als kommissarischer Geschäftsführer im DBS installiert.