: Mehr Humanität
FLÜCHTLINGSPOLITIK
Eine klare Ansage in Sachen Flüchtlingspolitik hat Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius den Ausländerbehörden gemacht. „Erklärtes Ziel“ der rot-grünen Landesregierung sei es, „die Zahl der Abschiebungen zu reduzieren“, so der SPD-Mann.
Wenn trotzdem abgeschoben wird – etwa nach der „Dublin II“-Verordnung, die vorsieht, dass Schutzsuchende in der EU nur in dem Land Asyl beantragen dürfen, wo sie erstmals europäischen Boden betreten haben –, sollen die Abschiebungen möglichst human ablaufen: Pistorius’ „Rückführungserlass“ sieht vor, dass Flüchtlinge frühzeitig über ihre geplante Abschiebung informiert werden.
Außerdem müssen sie mindestens zwei Mal auf die Härtefallkommission des Landes hingewiesen werden, die ihren Aufenthalt aus „dringenden humanitären und persönlichen Gründen“ legalisieren kann. Und: Möglichst verzichtet werden soll auf Abschiebungen mitten in der Nacht.
Vollständig verboten sind sie aber nicht. Schon am Mittwochabend gegen 21.30 Uhr zwang die Polizei in Drochtersen bei Stade eine aus Albanien stammende Familie zur Ausreise – was die Opposition aus CDU und FDP im Landtag am Freitag prompt zu skandalisieren versuchte. Pistorius’ Antwort: Der einzige Flug nach Tirana sei am nächsten Morgen um 9.10 Uhr ab Frankfurt gegangen, die Alternative sei eine Übernachtung unter Polizeibewachung gewesen. Die Härtefallkommission sei weder von der frühzeitig informierten Familie noch von deren Anwalt angerufen worden.
Überhaupt scheint die Empörung der Christdemokraten nicht gerade glaubwürdig. Denn nur einen Tag zuvor hatte die CDU-Abgeordnete Angelika Jahns tödliche Schüsse in einer Wolfsburger Asylbewerberunterkunft dazu benutzt, vor einer Gefährdung von Polizisten und Öffentlichkeit durch Flüchtlinge zu fabulieren. Heute ist klar: Die deutschen Täter stammen aus dem Drogenmilieu. Ihr Opfer, ein 31-jähriger Mann aus Nigeria, hat nach Stand der Ermittlungen dagegen nicht mit Drogen gehandelt – und könnte zufällig in die Schusslinie geraten sein. WYP
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