TROTZ SCHÄUBLES RÜCKZUG: SPD UND UNION HEBELN DATENSCHUTZ AUS
: Die Kontrolle nimmt zu

Die Innenpolitiker der SPD sind stolz wie Oskar. Endlich haben sie einen Erfolg, mit dem sie jene Wähler beruhigen können, die sich für Datenschutz interessieren. Die Forderung der Union nach einer zentralen Speicherung der Fingerabdrücke aus den neuen biometrischen Pässen sei „vom Tisch“, verkünden die Sozialdemokraten so laut es geht. Seht her, tönen sie, wir sind es, die in der großen Koalition verhindern, dass euch Big Brother Schäuble komplett registriert und überwacht. Muss man der SPD also gratulieren? Ja. Zu einer taktischen Meisterleistung!

Der große Jubel über die Nicht-Speicherung der Fingerabdrücke ist ein geschicktes Ablenkungsmanöver. Der Verzicht auf eine Maßnahme soll die vielen staatlichen Überwachungsmaßnahmen, die Union und SPD in den allermeisten Fällen ohne Streit vorantreiben, leichter verdaulich machen.

Eine Fingerabdruckdatei, über die jetzt so viel geredet wird, war in Schäubles Gesetzentwurf gar nicht vorgesehen. Es war lediglich eine Idee von Unions-Hardlinern. Der Innenminister kämpfte nur äußerst halbherzig dafür, sie sofort umzusetzen. Die SPD aber nahm den Vorschlag dankbar auf, um laut Nein zu sagen und ihren mannhaften Widerstand zu inszenieren. So soll beim liberalen Publikum in Vergessenheit geraten, welche neuen Speichermöglichkeiten die Koalition wirklich beschlossen hat: neben den digitalisierten Passfotos auch die Verbindungsdaten von Telefon-, Handy- und E-Mail-Nutzern. Dazu kommt noch der präventive Online-Zugriff auf Computer.

Die Innenpolitiker haben aus den Debatten um die „Volkszählung“ gelernt: Vielen Bürgern macht es Angst, wenn ihnen ein großes Datensammlungsprojekt angekündigt wird. Deshalb gibt es jetzt viele kleine. Deshalb wird bei zwei Schritten zu mehr Überwachung auch mal, theatralisch, ein Schritt zurück gemacht. Mit den Fingerabdrücken kann man es ja später noch mal probieren. In der Summe nimmt die Kontrolle jetzt schon deutlich zu. Kritisieren kann man das mit einer klaren Haltung. Man darf den Behörden – auch nach einem Anschlag – nicht vorwerfen, nicht alle Kontrollmöglichkeiten genutzt zu haben. Sonst gibt es, spätestens dann, kein Halten mehr. LUKAS WALLRAFF