Wahlsieger versprechen nationale Einheit

Nach den Unruhen um die Präsidentschaftswahl in Nigeria bemühen sich jetzt alle Seiten um Beruhigung

LAGOS taz ■ Dass Umaru Musa Yar’Adua aus den Wahlen in Nigeria als zukünftiger Präsident hervorgehen würde, war eigentlich klar. Die große Frage während des nigerianischen Wahlkampfes hieß insofern nur, wie gespalten die Gesellschaft aus den Wahlen hervorgehen wird. Eine halbe Woche nach den Präsidentschaftswahlen bietet sich folgendes Bild: Obwohl sich weite Teile der nigerianischen Gesellschaft über den Ablauf empören, blieben große Volksproteste aus. Aber die Urteile der Zivilgesellschaft über die Wahl fallen scharf aus. Unabhängige Zeitungen kritisieren hart, was sich vor den Augen der 140 Millionen Nigerianer an den beiden vergangenen Samstagen abspielte. „Vergewaltigung der Demokratie“ etwa druckte das wichtigste nigerianische Nachrichtenmagazin Tell in seiner jüngsten Ausgabe auf die Titelseite.

Ein Zusammenschluss von wahlbeobachtenden Bürgerrechtsgruppen Nigerias verlangt eine Wiederholung. Die beiden wichtigsten Gewerkschaften des Landes sprachen jeder künftigen Regierung die Legitimität ab, die sich auf diese Wahlen beruft.

Noch schärfer werden die Töne aus Oppositionskreisen. Ein loses Forum von Gegenkandidaten bei den Präsidentschaftswahlen klagte, diese Wahlen seien schlimmer als ein Staatsstreich. Der Sprecher des Forums, Pat Utomi, selbst unterlegener Kandidat, forderte seine Landsleute zu Protesten auf, ähnlich wie sie in der Ukraine stattgefunden hatten.

Aber nur eine Minderheit von Politikern rufen zu zivilem Ungehorsam oder ähnlichen Aktionen auf. Die meisten wollen ihren Unmut vor Gericht bringen. Eine Flut von Petitionen wird erwartet. Die will der scheidende Präsident, Olusegun Obasanjo, noch vor der Amtsübergabe am 29. Mai geregelt haben.

Um die Rolle des Buhmanns wieder loszuwerden, räumte Obasanjo ein, dass die Wahlen problematisch waren. Aber die nächsten würden besser, und dieser Prozess sei wichtig für die Einheit des Landes, sagte Geflügelzüchter Obasanjo, der sich nach der Amtsübergabe auf seine Farm unweit von Lagos zurückziehen wird.

Um die hitzige Stimmung wieder etwas abzukühlen, laufen sowohl in den einzelnen Bundesstaaten als auch auf Bundesebene bereits Befriedungsversuche auf Hochtouren. Siegreiche Gouverneurskandidaten schalten großformatige Anzeigen, in denen sie sich als verständige Vertreter aller darstellen. Sie lancieren Berichte, dass sie dem gegnerischen Lager entgegenkommen wollen. Normalerweise bedeutet das, dass sie Posten anbieten oder lukrative öffentliche Aufträge verteilen. Verlierer schalten Glückwunschanzeigen für die Sieger.

Auch der künftige Präsident Umaru Musa Yar’Adua hat auf seiner ersten Pressekonferenz nach der Wahl eine Regierung der nationalen Einheit in Aussicht gestellt.

Zwischen Versprechungen dieser Art oder Aufrufen zum Widerstand zeigt sich die nigerianische Bevölkerung unbeeindruckt. Die alltäglichen Sorgen ums Überleben stehen wieder im Vordergrund. Zudem haben sich die Erwartungen nicht geändert. Schon vor der Wahl nannten Nigerianerinnen und Nigerianer stabile Stromversorgung als höchste Priorität. Der scheidende Präsident Obasanjo versprach das vor acht Jahren. Die Menschen hoffen weiter.

HAKEEM JIMO