Alles, was Recht ist
: KOMMENTAR VON WOLFGANG GAST

Das Karlsruher Landgericht ist dem baden-württembergischen Justizminister Goll in den Arm gefallen. Goll wollte dem nunmehr 24 Jahre einsitzenden Häftling Christian Klar jede Erleichterung seiner Haft verwehren, doch Karlsruhe hat entschieden, auch gegen den Willen des Stuttgarter Justizministeriums die „Lockerung des Haftvollzugs“ – wie von der Justizvollzugsanstalt geplant – anzuordnen. Das zeugt von Vernunft und ist ein gutes Zeichen für die Unabhängigkeit der Justiz.

Das Landgericht hat sich dabei an den normalen Regelungen des Strafvollzugs orientiert. Die sehen vor, den inhaftierten Christian Klar auf seine mögliche Haftentlassung Anfang 2009 vorzubereiten – völlig unabhängig davon, ob Christian Klar möglicherweise noch früher von Bundespräsident Horst Köhler begnadigt wird oder nicht. Das Landgericht hat sich damit gegen den Trend zum Populismus im RAF-Erinnerungsstreit gestellt. Die Entscheidung zeigt aber auch, wie hysterisch die Debatte über die Aufarbeitung des Terrors der Roten Armee Fraktion derzeit geführt wird. Denn die Karlsruher Richter haben schließlich nur ihren Job gemacht.

Vor zehn Jahren, als der 20. Jahrestag des Deutschen Herbstes begangen wurde, hieß es allerorten, die bundesdeutsche Gesellschaft habe ihre Stärke gerade darin gezeigt, dass sie trotz des Terrors der RAF am Rechtsstaat festgehalten habe. Mit viel gutem Willen mochte man sich dieser Meinung anschließen – immerhin wurden eine Reihe der Sondergesetze, die im Herbst 1977 durchgepeitscht wurden, mittlerweile wieder außer Kraft gesetzt.

Mit wachsendem zeitlichem Abstand zu den Siebzigerjahren scheint aber die Erkenntnis verloren zu gehen, dass nur der den Rechtsstaat erhält, der auf die Einhaltung seiner Regeln besteht. Dazu gehört nun einmal – allen Bekenntnissen und Entschuldigungen, die derzeit gefordert werden, zum Trotz – das Recht eines Beschuldigten, zu schweigen und keine Reue zu zeigen. Und dazu gehört auch das Recht des Gefangen auf Meinungsfreiheit: ganz egal, ob er sich dabei zu wirren Aussagen über „die Niederlage der Pläne des Kapitals“ versteigt, wie Christian Klar das kürzlich in seinem Grußwort zu einer Konferenz getan hat.