Der fromme Flüsterer

Joost Reinke ist die NRW-Stimme der Evangelikalen und ihr erster Lobbyist. Ein Herner Pastor auf Politik-Mission

Joost Reinke, Baptisten-Pastor und evangelikaler Lobbyist, im Werbegespräch mit Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) Foto: Privat

Joost Reinke schickt seine Kinder auf staatliche Schulen. Alle fünf, trotz Evolutionslehre. „Ich glaube, dass man solche Ansichten besser früh in homöophatischen Dosen kennen lernt“, sagt der 42-jährige baptistische Pastor. Für das Recht christlicher Eltern, ihre Kinder selbst zu unterrichten, streitet er trotzdem. Und auch für einen Biologieunterricht, in dem Darwins Evolutionstheorie „als das dargestellt wird, was sie ist: Ein spekulativer Erklärungsansatz neben anderen.“ Seiner ist: „Nilpferde werden nicht zu Schildkröten und Menschen nicht zu Affen.“

Joost Reinke redet routiniert über solche Themen, vor allem, wenn es um deren politischen Konsequenzen geht. Er ist Deutschlands erster evangelikaler Lobbyist, ein Pilot-Projekt der Freikirchen für NRW. Er steht für einen neuen Trend: Die Freikirchen wollen mitmischen – auch bei der Politik, die immer als schmutzig galt. In NRW vertritt Reinke 100.000 Gläubige, fünf evangelikale Dachverbände haben sich auf den Herner Baptisten geeinigt. Bundesweit vertritt die Evangelische Allianz, für die er streitet, 1, 3 Millionen Protestanten, die ihr Leben streng an der Bibel ausrichten. Das Geld stammt aus Spenden, viel vom Essener Schuhfabrikanten Deichmann. Forschungsergebnisse der Ausbildungsstätten werden inzwischen auch von der UNO verwendet.

Reinke soll Evangelikales in die Landespolitik einbringen – sei es Abtreibungs- und Sterbehilfeverbote oder der Biologieunterricht, vor allem in USA heiß diskutiert. Dort haben die Evangelikalen den Einfluss, an dem Reinke hier mühsam arbeitet. Aber es läuft besser als erwartet: Er verkehrt bei allen Parteien, hat mehrmals Ministerpräsident Rüttgers diskutiert. Rechts oder links einordnen lassen sich die radikalen Christen nicht: „Es geht um soziale Gerechtigkeit und Umweltschutz, aber auch um bibeltreue Familienpolitik.“

„Die Menschen suchen wieder nach Gott“, sagt Reinke. „Überall.“ Tatsächlich stellten Dortmunder Pädagogen heute eine Studie vor, die den Erfolg des Lobbyisten zeigt: 18 Prozent aller 1.228 befragten Lehramtsstudenten sind von der direkten Schöpfung des Menschen in seinem jetzigen Äußeren überzeugt, 12,5 Prozent bezweifeln generell die Evolution. „Diese Zweifel müssen Unterrichtsthema werden“, sagt Reinke. Er sät sie nach der Schule in seine Kinder. „Aber ich kann gut verstehen, dass Eltern ihre Kinder davor behüten wollen.“ MIRIAM BUNJES