Dr. Roboter

TECHNIK Der Operationsroboter da Vinci arbeitet besonders präzise und schonend. Doch wie hilfreich er wirklich ist, testen Ärzte noch

„Wenn es darum geht, die Kontinenz und Erektionsfähigkeit zu erhalten, macht es keinen Unterschied, ob mit oder ohne Roboter operiert werde“

Markus Graefen, Chefarzt der Martini-Klinik

VON LEA ZIEROTT

Lange Metallstäbe bohren sich kreisförmig um den Nabel in den Bauch des betäubten Mannes, Blut fließt aus den Einstichlöchern. Eine in Plastik gehüllte Riesen-Spinne schiebt sich langsam über ihn, er verschwindet ganz unter ihr. Sobald ihre Arme mit den Stäben in dem Bauch des Manns verbunden sind, erscheint auf dem Monitor neben ihm das Bild einer undefinierbaren rosa-weißen Masse. Die Spinnenarme beginnen mechanisch zu zucken, als fange sie langsam an, ihre Beute zu verspeisen, gleichzeitig fressen sich auf dem Bildschirm kleine silberne Raben-Schnäbel durch rosa Wände.

In zwei Meter Entfernung sitzt Alexander Haese. Er steuert die Riesen-Spinne, sie heißt da Vinci 2 und ist ein Operationsroboter. Haese ist leitender Arzt der auf Prostatakrebs spezialisierten Martini-Klinik in Hamburg. Der Roboter ist seit Frühjahr dieses Jahres im Einsatz. Der Mann unter den Spinnenarmen ist der erste Patient von da Vinci 2.

Während Haeses Finger in kleinen Schlaufen Bewegungen machen, als würden sie Schattenspiele aufführen, treten seine Füße in bunt gestreiften Socken abwechselnd auf verschiedene Pedalen am Boden. Er sitzt in einem Kasten und blickt auf einen Kontroll-Bildschirm. Auf ihm sieht er das Innere des Menschen auf dem Operationstisch – gestochen scharf und dreidimensional in zehnfacher Vergrößerung, als würde er sich in ihm befinden, während er seine Prostata entfernt.

Ohne Körperkontakt zu haben, führt er die gleichen Bewegungen durch, als würde er direkt am Menschen operieren. Sie werden präzisiert und übertragen. Der Roboter arbeitet mit einer Methode, die zu weniger Blutverlust und einem schnelleren Heilungsverlauf führen soll. Mittlerweile benutzen Ärzte da Vinci neben der Urologie auch in der Gynäkologie,Tumor- und Hals-Nasen-Ohren-Chirurgie.

Seinen Ursprung hat der Roboter in der Herzchirurgie, da er die menschliche Bewegung aufs Zehnfache herunterrechnet und so besonders präzise sein kann. Durch Robotik ist es bereits möglich, am schlagenden Herzen zu operieren und das Herz nicht wie üblich mit einer Herz-Lungen-Maschine stillzulegen.

Der da Vinci wurde vom amerikanischen Militär entwickelt, um Operationen über eine weite Distanz durchführen zu können – ein Ziel, das noch unerreicht ist. In Europa gibt es mittlerweile 300 von ihm, in Deutschland sind es 43.

„Wir sind uns noch nicht sicher, wie groß der Vorteil wirklich ist“, sagt Markus Graefen, Chefarzt der Martini-Klinik. Die Klinik werte ständig Daten aus, um zu erforschen, wie lohnenswert die Roboterchirurgie ist. Ein großer Vorteil sei natürlich die bessere Optik. Es mache aber keinen Unterschied, ob mit oder ohne Roboter operiert werde, wenn es darum geht, die Kontinenz und Erektionsfähigkeit zu erhalten. Es sei nicht so, dass durch den Roboter plötzlich alles viel leichter gehe, sagt Markus Graefen, eine Prostataoperation sei immer noch ein hoch komplexer Vorgang, der Operateure brauche, die ihr Metier beherrschen.

Die Hamburger Klinik hat mit dem Roboter im Wert von über einer Million Euro bereits den zweiten da Vinci in Betrieb. Teuer ist er nicht nur für die Klinik: Die Krankenkassen zahlten nur die für den Krankheitsfall festgelegte Pauschale, weil noch keine Studien vorlägen, die ein durch Roboter verbessertes Kosten-Nutzen Verhältnis belegten, sagt Birger Jaspers von der DKV Krankenversicherung. Wie viel der Patient dazu zahlen muss, entscheiden die Krankenhäuser. In der Martiniklinik liegt der Eigenanteil einer von da Vinci durchgeführten Prostataoperation bei knapp 2.000 Euro.

In Zukunft wird sich die Robotik im Operationssaal immer weiter durchsetzen, da sind sich alle einig. Das neueste da Vinci- Modell soll nur noch über einen einzigen Zugang operieren und auch die OP-Roboter in anderen Bereichen werden weiter entwickelt. Dass Ärzte in den nächsten Jahren durch Roboter ersetzt werden könnten, scheint unwahrscheinlich, da die meisten Roboter bisher nur als Hilfsinstrument dienen und nicht selbstständig arbeiten können.

Auf dem Bildschirm von Haese ist mittlerweile eine gelbe Masse zu sehen, die an Pudding erinnert – da Vinci 2 ist beim Fettgewebe angekommen. Zwei Stunden dauert die Operation, danach verschwinden die Arme wieder und nur fünf kleine Narben werden an den komplizierten Eingriff erinnern.