BEI KURT BECKS KRIEGSGEHEUL ÜBERWIEGT DEUTLICH DAS GEHEUL
: Kopflose Sozialdemokraten

Der SPD-Vorsitzende hat mit seiner interessanten Rede über den „Casus Belli“ dokumentiert, dass er Latein kann, ja sogar den Genitiv beherrscht. Doch das ist auch schon alles, was man Kurt Beck nach seiner Breitseite gegen die Union zugutehalten kann. Das Einmaleins der Bundespolitik muss der polyglotte Pfälzer offenkundig erst noch lernen.

Machttaktisch spricht zwar nichts dagegen, dem Koalitionspartner mit einem Krieg zu drohen. An die drastische Wortwahl der Politiker hat sich das Publikum gewöhnt. Nur: Wer so auf den Putz haut, sollte einen geeigneten Anlass haben und in der Lage sein, wirklich in die Schlacht zu ziehen. Andernfalls macht man sich lächerlich. So wie Beck. Die CDU kann sich öffentlich empören und innerlich gelassen bleiben. Becks Rede war tatsächlich nur „Kriegsgeheul“. Mit der Betonung auf Geheul.

Den Anlass für seine Angriffsdrohung gibt es gar nicht: Die alberne Forderung einzelner Unionisten nach Abschaffung der Erbschaftssteuer hat die pragmatische CDU-Chefin längst beerdigt. Wie im Pseudostreit um die Fingerabdruckdatei zeigt sich: Angela Merkel ist nicht so radikal und dumm, wie sich die SPD wünscht. Sie ist klüger – und näher an der Mehrheitsfähigkeit. Bei allen Widersprüchen in der Union gelingt es Merkel besser als Beck, neue Wähler anzusprechen, ohne die alten zu vergraulen. Ihre Familienpolitik folgt der Realität und regt schwarz-grüne Fantasien an, ihre Innenpolitik dient der Traditionspflege. Und wenn einer wie Oettinger zu sehr vom Mainstream abweicht, folgt ein Machtwort. Dabei hilft Merkel, dass es ernsthafte Konkurrenz von rechts nicht gibt. Beck dagegen macht zu schaffen, dass die Linkspartei zulegt. Aber dazu fällt ihm nur eines ein: eine Koalition mit den Linkspartei kategorisch auszuschließen.

Selbst wenn Beck ein neuer Grund für einen Krieg gegen die Union einfällt: Um ernst zu machen, fehlt ihm ein Ziel. Es sieht so aus, als wolle er die CDU sozialpolitisch von links angreifen und gleichzeitig die FDP als Partner anpeilen. Das wäre kühn. Vielleicht sollte sich Beck zunächst darauf konzentrieren, die Schlagkraft der eigenen Truppe zu erhöhen. Die Zahl seiner unbekannten Stellvertreter von fünf auf vier zu verringern, ist ein Anfang. Aber noch keine Strategie. LUKAS WALLRAFF