Zweite Front zwischen Äthiopien und Somalia

Separatisten überfallen äthiopisches Ölfeld. Adis Abeba fürchtet, Anschläge könnten chinesische Investoren vergraulen

NAIROBI taz ■ Die Sonne stand noch nicht am Himmel, als die gut 200 Kämpfer der „Ogaden-Befreiungsfront“ am Dienstag unerwartet zuschlugen. Eine Stunde dauerte der Kampf nahe dem Dorf Abole im Nordosten Äthiopiens, wo eine chinesische Staatsfirma nach Öl bohrt. Als die Rebellen abzogen, waren 65 Äthiopier und neun chinesische Ölarbeiter tot. Sieben weitere wurden entführt, die äthiopische Armee entsandte gestern Suchtrupps. „Die Verantwortlichen werden für diesen Überfall bezahlen“, sagte Premierminister Meles Zenawi. Ein Separatistensprecher erklärte, der Angriff sei die natürliche Reaktion auf die Unterdrückung der somalischen Bevölkerung im Ogaden, um den Somalia und Äthiopien schon zweimal Krieg geführt haben. „Wir haben die Chinesen und die Äthiopier gewarnt. Sie haben kein Recht, im Ogaden nach Bodenschätzen zu suchen.“

Der erste Anschlag auf äthiopischem Boden seit dem Einmarsch äthiopischer Truppen in Somalia Ende Dezember gibt Ängsten Auftrieb, die somalische Krise könne die ganze Region mit in kriegerische Auseinandersetzungen reißen. Zenawi machte gestern für den Anschlag im Ogaden den Erzfeind Eritrea verantwortlich, wo führende Mitglieder der aus Mogadischu vertriebenen Islamisten Unterschlupf gefunden haben. „Eritreas Regierung führt den Terror in der Region an und die internationale Gemeinschaft sieht untätig zu.“ Analysten schlossen nicht aus, dass Zenawi die Armee auf einen neuen Krieg mit dem nördlichen Nachbarn einstimmen will.

Der Anschlag im Ogaden trifft Äthiopien besonders, weil unter den Opfern Chinesen sind. China investiert seit Jahren in die Infrastruktur des bitterarmen Landes. Vor allem aus politischen Gründen, denn Ölvorkommen vom Ausmaß etwa des Sudans werden in der Gegend nicht vermutet. Die Angst in Addis Abeba ist groß, dass Peking das Massaker zum Anlass nehmen könnte, sich zurückzuziehen. Aus Peking hieß es gestern, Addis Abeba solle sich besser um die Sicherheit der Chinesen im Land kümmern. Einen Anschlag wie im Ogaden hat China, das sein Handelsvolumen mit Afrika seit 1999 um das 25-fache gesteigert hat, bislang nicht erlebt. Die Toten passen nicht ins Bild des „afrikanischen Traums“, den Peking willigen Unternehmern verkauft.

Zunehmenden Druck erhält Zenawi auch aus dem Westen, der das brutale militärische Vorgehen der äthiopischen Armee in Mogadischu offen kritisiert. Nach den USA hat Deutschlands Botschafter Walter Lindner in Nairobi für die EU ein sofortiges Ende der wahllosen Bombardierung von Wohnvierteln mit schwerer Artillerie gefordert. „Die Versuche internationaler Hilfsorganisationen, den Vertriebenen zu helfen, werden zudem durch Plünderungen und bürokratische Auflagen der somalischen Übergangsregierung behindert“, heißt es in einem Schreiben an Somalias Übergangspräsident Abdullahi Jusuf.

Während Jusuf zu den Vorwürfen schweigt, warf Zenawi, der die militärische Machtbasis der Übergangsregierung stellt, Hilfsorganisationen und den UN vor, die Opferzahlen aus politischem Kalkül zu übertreiben. Zudem werde der Krieg nicht mehr lange dauern. „Noch ein bis zwei Wochen, dann haben wir Mogadischu von den Terroristen gesäubert.“

Aus der somalischen Hauptstadt berichteten gestern Augenzeugen, die äthiopische Armee habe ihre Angriffe intensiviert. Panzer und schwere Geschütze waren in zahlreichen Vierteln der somalischen Hauptstadt zu hören. Mehr als eine Woche nach Beginn der letzten Kämpfe schätzen Hilfsorganisationen die Zahl der Toten auf mehr als 250. Bis zu einer halben Million Somalis, die Hälfte der Stadtbevölkerung, soll inzwischen aus Mogadischu ins Umland geflohen sein. MARC ENGELHARDT