Aufsichtsrat tauscht Führungskräfte aus

Kontrolleure beraten über den Abgang von Vorstand Kleinfeld, dessen Bilanz beeindruckt, ihm aber wenig hilft

Siemens sitzt die US-Börsenaufsicht im Nacken, die eine saubere Führungsriege fordert

MÜNCHEN afp ■ Heinrich von Pierer hatte gestern nach 38 Jahren seinen letzten Arbeitstag bei Siemens. Vorstandschef Klaus Kleinfeld könnte ihm bald folgen, denn trotz blendender Quartalszahlen wackelte vor der Sitzung des gestern tagenden Aufsichtsrats auch sein Stuhl. Die Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertreter berieten sich vor der Sitzung in getrennten Räumen. Während die Wahl von Gerhard Cromme zum Nachfolger von von Pierer nur Formalie war, sorgte die Ablösung von Kleinfeld bei den Arbeitnehmern für Debatten. „Das überrascht uns. Die Demontage Kleinfelds haben die Arbeitgeber angezettelt“, hieß es bei ihnen.

Noch unklar war, wieweit die Demontage des seit seinem Antritt vor zwei Jahren für hervorragende Zahlen stehenden Kleinfelds gehen würde. Bis zum sofortigen Rauswurf oder Rücktritt? Von der eigentlich geplanten Verlängerung seines Arbeitsvertrags um fünf Jahre sprach niemand. Dafür kursierten als Nachfolger die Namen von Linde-Chef Wolfgang Reitzle und Ex-VW-Chef Wolfgang Bernhard. Die Siemens-Aufsichtsräte Josef Ackermann und Cromme sollen schon mit den Nachfolgern sprechen.

Doch Kleinfeld ist clever. Schon vor der Sitzung hat er die Quartalszahlen veröffentlicht. Diese können sich sehen lassen: Der Gewinn stieg um 36 Prozent auf 1,3 Milliarden Euro und damit stärker als erwartet. Der Umsatz machte einen Sprung um 10 Prozent auf 20,6 Milliarden Euro. Und der Auftragseingang, also der Umsatz der Zukunft, legte um 9 Prozent auf knapp 23,5 Milliarden Euro zu. Ein Analyst sieht in der ungewöhnlich frühen Veröffentlichung die Bestätigung, mit welch harten Bandagen bei Siemens gekämpft wird.

Laut FAZ knüpfte von Pierer seinen Rücktritt an die Bedingung, dass auch Kleinfeld gehen muss. Anderen Berichten zufolge werfen Aufsichtsratsmitglieder dem Siemens-Chef vor, seinen angesehenen Vorgänger zu abschätzig behandelt zu haben. Bei den Arbeitnehmern leidet Kleinfelds Ansehen darunter, dass er den Konzern mit größtem Tempo umbaut. Außerdem verlangt der Kapitalmarkt, insbesondere die US-Börsenaufsicht, dass bei einer Führungskrise die Verantwortlichen abgelöst werden. Ob der Aufsichtsrat auch so denkt, war bis Redaktionsschluss offen.