Kleinfeld tritt zurück


Siemens-Chef Klaus Kleinfeld tritt zurück. Er stehe für die anstehende Vertragsverlängerung nicht zur Verfügung, teilte der Vorstandschef dem Aufsichtsrat gestern mit. Kleinfeld, ein Ziehsohn des langjährigen Siemens-Chefs Heinrich von Pierer, stand seit Januar 2005 an der Siemens-Spitze. Ein Nachfolger steht noch nicht fest. Neben Linde-Chef Wolfgang Reitzle ist laut Berichten auch der frühere VW-Markenchef Wolfgang Bernhard als möglicher neuer Siemens-Chef im Gespräch. Kleinfeld erklärte, er werde Siemens bis 30. September zur Verfügung stehen.

Der Siemens-Aufsichtsrat hatte gestern über die Zukunft Kleinfelds beraten. Laut Medienberichten gab es einen erbitterten Streit in dem Gremium um den Verbleib des Vorstandsvorsitzenden an der Spitze des Konzerns. Der frisch gewählte Aufsichtsratschef Gerhard Cromme dankte Kleinfeld und betonte, dass die bisherigen unabhängigen Untersuchungen in den Korruptionsaffären keine Anhaltspunkte für ein persönliches Fehlverhalten Kleinfelds ergeben hätten.

Der ehemalige ThyssenKrupp-Aufsichtsratschef Cromme war erst gestern vom Siemens-Aufsichtsrat gewählt worden. Beendet werden sollte damit die Tätigkeit von Pierers, der dreizehn Jahre Vorstands- und zwei Jahre Aufsichtsratschef war. Von Pierer hatte wegen der Skandalserie bei Siemens seinen Posten zur Verfügung gestellt.

Die Börse reagierte negativ. Die Siemens-Aktie, vor der Bekanntgabe des Kleinfeld-Rückzugs noch deutlich im Plus, stürzte binnen weniger Minuten um rund 3 Euro auf 88,20 Euro ab. Kleinfeld hatte am Vorabend der Aufsichtsratssitzung noch überraschend positive Gewinnzahlen präsentiert.

An Kleinfeld schieden sich die Geister. Als Nachfolger des leutseligen, abwägenden Heinrich von Pierer trat der von amerikanischer Firmenkultur geprägte Manager ein schweres Erbe an. Auch von Pierer hatte den Beschäftigen harte Einschnitte zugemutet. Doch die Radikalität, mit der sich Kleinfeld an den Umbau des Traditionskonzerns machte, ist beispiellos in der 160-jährigen Firmengeschichte. Nur wenige Monate nach seinem Amtsantritt verkaufte er die defizitäre Handysparte an BenQ aus Taiwan. Ein Jahr später schickten die Asiaten ihr deutsches Mobiltelefongeschäft mit 3.000 Mitarbeiten in die Insolvenz. Weil ihm nach eigenen Angaben die „aktive Portfoliopolitik“ am meisten Spaß bereitet, formte er den Konzern eilig weiter um: Teile der IT-Sparte SBS verlagerte er in das Gemeinschaftsunternehmen Fujitsu Siemens Computers, der Rest der Belegschaft muss länger arbeiten.

Im Sommer vergangenen Jahres kappte Kleinfeld die Wurzeln des Konzerns, indem er den Großteil des Telekommunikationsgeschäfts in ein Gemeinschaftsunternehmen mit dem finnischen Handyhersteller Nokia einbrachte. Seit Januar plant Kleinfeld, einen Teil der Autozuliefersparte VDO an die Börse zu bringen. Gleichzeitig ging er mit Milliardenbeträgen vor allem in den USA auf Einkaufstour.

Kleinfelds Beharren auf Renditezielen rief in weiten Teilen der Belegschaft Misstrauen hervor. So kritisierte einer der gestern am Werkstor wartenden Mitarbeiter von Nokia Siemens Networks, wie der Unternehmensteil jetzt heißt: „Herr Kleinfeld hat uns gepackt und ausgespuckt.“ Ihm sei nach 25 Jahren bei Siemens im Zuge des Umstrukturierung 2005 gekündigt worden, seinen Arbeitsplatz habe er sich vor Gericht zurückerstritten. Er könne die Parolen der Chefetage nicht mehr hören. Es gehe doch immer nur um Personalabbau. „Was mir bei dem ganzen Management fehlt, ist die Anständigkeit.“ DPA, AFP, RTR