Airbus-Riese vor Gericht

Das Bundesverwaltungsgericht nennt Ausbau der Flugzeugfabrik in Hamburg rechtmäßig. Zur Debatte stand die Gemeinnützigkeit des Projekts

VON GERNOT KNÖDLER

Der Ausbau des Hamburger Airbus-Werks gilt als rechtmäßig. Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat gestern Abend den Revisionsantrag gegen die Erweiterung des Werksgeländes zurückgewiesen. Die Urteilsbegründung war zu Redaktionsschluss nicht bekannt.

Vor sieben Jahren hatten mehr als 200 Anwohner Klage eingereicht. Sie fürchten den Lärm der Riesen-Airbusse vom Typ A 380, die hier starten und landen sollen. Die erste Instanz gab ihnen Recht, die zweite nicht. Gestern Abend sollte die Entscheidung der dritten Instanz fallen. Gebaut wurde trotz des Prozesses. Die Interessen an der Fortführung der Bauarbeiten seien höher zu bewerten als die Interessen der Antragsteller, argumentierte das Hamburger Verwaltungsgericht.

Es geht um eines der größten und am heftigsten befehdeten Industrieansiedlungsprojekte in Norddeutschland. Um der Hamburger Airbus-Fabrik Platz zu schaffen, ließ der Senat einen Teil der Elbbucht Mühlenberger Loch, einem europäischen Naturschutzgebiet, zuschütten. Rund 650 Millionen Euro kostete es, 165 festes Land aus dem Schlickwatt zu stampfen, die Werkspiste zu verlängern und für den gebotenen Ausgleich zu sorgen. Airbus will eine ähnliche Summe investieren. In den 36 Meter hohen Montagehallen auf dem neuen Gelände hat die Produktion bereits begonnen. Gerade wird an einer abermaligen Verlängerung der Werkspiste gearbeitet.

Unterdessen ging das Verfahren vor den Verwaltungsgerichten seinen zeitraubenden Gang. Bereits im Jahr 2000, nachdem der Planfeststellungsbeschluss ergangen war, hatten 250 Anlieger gegen den Werksausbau geklagt. Das Verwaltungsgericht gab ihnen im September 2002 Recht. Der zu erwartende Lärm der startenden und landenden Riesenjets beeinträchtige die Kläger „in rechtlich erheblicher Weise“. Damit werde in deren Eigentumsrechte eingegriffen. Solche Beeinträchtigungen seien bei einem öffentlichen Flughafen vielleicht hinzunehmen, argumentierte die Kammer, „nicht aber bei dem Werkslandeplatz eines privaten Unternehmens“.

Drei Jahre später hob das Oberverwaltungsgericht (OVG) dieses Urteil auf. Der Ausbau des Airbus-Werks diene „mittelbar dem Gemeinnutz“. Das Gericht folgte der Argumentation des Senats, das Werk schaffe 2.000 Arbeitsplätze direkt und weitere 2.000 bei Zuliefer- und Service-Unternehmen. Die Bürgerschaft hatte die Werkserweiterung zudem gegen die Stimmen der Grünen per Gesetz für gemeinnützig erklärt. Ihr ging es darum, Hamburgs Rang unter den drei großen Luftfahrtindustrie-Standorten der Welt zu behaupten.

Aufgrund der Gemeinnützigkeit sei Lärm, der durch die zusätzlichen Flüge entstehe, nicht unzumutbar, argumentierte das OVG. Der Kläger, der das Verfahren stellvertretend für alle anderen fortführte, habe lediglich Anspruch auf Lärmschutzfenster und -lüfter. Die mittelbare Gemeinnützigkeit glaubte das Gericht anführen zu können, weil es im Verfahren ja nicht um die Enteignung der Kläger sondern nur um Lärmbelästigung ging.

Ob das Arbeitsplatzversprechen eingehalten wird, steht durch die Krise des Flugzeugbauers in Frage. „Die optimistischen Erwartungen haben sich zerschlagen“, sagt der Klägeranwalt Peter Mohr. Ganz gleich, wie das Gericht entscheidet: Dass die Werkshalbinsel wieder weggebaggert wird, scheint ausgeschlossen. Das Gericht könnte aber Entschädigungen verlangen, besseren Lärmschutz vorschreiben oder den Flugverkehr einschränken.

Fragen des Naturschutzes sind bisher ausgeblendet worden, weil sie, wie das OVG ausführte, die Rechte des Klägers nicht berührten. Der Umweltverband BUND vermutet, dass das OVG noch vor der Sommerpause entscheiden wird, ob die Klagen der Umweltverbände zulässig sind.