In Multis Gen-Garten

Am Rande eines Ackers in Schleswig-Holstein demonstrieren Umweltschutzgruppen gegen den dort gesäten genetisch veränderten Mais. Die Landesregierung behauptet, gegen den Testanbau nichts tun zu können. Die Grünen bezweifeln das

Der in St. Louis, Missouri, ansässige Konzern Monsanto ist weltweit der größte bei Gentech-Saatgut – bekannt und gehasst auch für seine aggressive Vermarktung. Seit März kooperiert BASF mit Monsanto – bei der Erforschung, Entwicklung und Vermarktung von Gentech-Saatgut. Gegenstand sind wichtige Nutzpflanzen, neben Mais noch Soja, Baumwolle und Raps. In den nächsten zehn Jahren wollen beide Unternehmen 1,2 Milliarden Euro investieren. Von den erwarteten Gewinnen wird Monsanto 60 Prozent erhalten, 40 die BASF. Für deren Vorstandschef Jürgen Hambrecht ist Monsanto gleichwohl der beste Partner „auf dieser Erde“. Die BASF erhofft sich durch die Kooperation einen besseren Zugang zum Markt. Denn anders als die US-Firma hat man in den letzten Jahren keine „eingeführten“ Saatgutunternehmen aufgekauft. Auch bei den teils komplizierten Zulassungsverfahren für Gen-Saatgut hat Monsanto mehr Erfahrung.  TAZ

aus Schuby ESTHER GEISSLINGER

Der Acker liegt braun und friedlich in der Sonne, im Hintergrund ragen Windräder gegen den blauen Himmel – Idylle pur. Aber Landwirtin Barbara Rudolf ist besorgt: Ihr Hof, der nach Bioland-Kriterien betrieben wird, liegt nur gut eineinhalb Kilometer entfernt, viel zu dicht für ihren Geschmack. Denn auf dem friedlichen Acker wächst genmanipulierter Mais.

Nicht nur Rudolf und ihre Bioland-KollegInnen haben damit ein Problem: Die Naturschutzgruppen BUND und Greenpeace, die Initiative gentechnikfreies Schleswig-Holstein sowie die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft trafen sich gestern bei Schuby, einem Dorf in Schleswig-Holstein. Am Feldrand wollten sie gegen die Aussaat des Genmaises protestieren. Auch der Grünen-Landesvorsitzende Robert Habeck kam zur Mini-Demo.

Bei dem Mais, der auf dem Feld eines konventionell wirtschaftenden Landwirts zu Forschungszwecken ausgesät wurde, handelt es sich um ein Produkt der Firma Monsanto. Verändert wurde ein Gen, das die Pflanzen immun macht gegen das Herbizid „Roundup Ready“. Dessen Name ist Programm: Der Landwirt, der das Mittel einsetzt, hat keine Sorgen mehr, weder Grashalm noch Brennnessel widersteht dem Ultra-Gift. Allerdings kann die Initiative Gentechnikfreies Schleswig-Holstein Studien vorlegen, denen zufolge auch einer von zwei Regenwürmern daran verendet. Dringt der Stoff ins Grundwasser oder Feuchtgebiete vor, sterben Frösche und andere Amphibien.

Monsanto, das nicht nur den Genmais, sondern auch das Herbizid produziert und vertreibt, bestreitet das: „Roundup Ready“ sei sicher und baue sich schnell ab. Zahlreiche Studien belegen anderes: So hat die dänische Regierung die Verwendung des Mittels eingeschränkt, da es sehr wohl ins Grundwasser geraten könnte. Es gibt auch Hinweise, dass der Hauptwirkstoff Glyphosat Krebs erzeugt und menschliche Embryonen schädigen kann.

Für die Naturschutzgruppen bedeutet die Aussaat daher eine ganz neue Qualität für Schleswig-Holstein. Unter Rot-Grün war das nördlichste Bundesland Mitglied im „Verband der gentechnikfreien Regionen“ – Freilandversuche mit veränderten Pflanzen hat es aber dennoch gegeben: Auf Flächen der Landwirtschaftskammer war seit 1998 unter anderem Mais ausgesät worden, der immun gegen ein Insekt war, das in Schleswig-Holstein gar nicht vorkommt. Der ehemalige grüne Umweltminister Klaus Müller erklärte gegenüber der taz, das Land sei nicht in der Lage gewesen, die Versuche zu verhindern, da eine Bundesstelle sie genehmigt hatte.

Bei dem aktuellen Fall liege die Sache anders, meint Robert Habeck: „Es ist ein super aggressives Herbizid, und es gibt den Verdacht auf eine Gesundheitsgefährdung. Da hätte das Land schon etwas machen können.“ Christian Seyfert, Sprecher des Landwirtschaftsministeriums, bezweifelt das. Zwar sei sein Haus von dem Versuch informiert worden, aber Einfluss hätte das Land nicht: Wenn die Hauptgefahr nicht vom Mais selbst ausgehe, sondern vom Herbizid, könne niemand „wegen einer bloß angenommenen Anwendung des Stoffes tätig werden“. Außerdem: „Die Firma Monsanto, die ja ohnehin schon einen bestimmten Ruf hat, wird keinen eindeutigen Rechtsverstoß begehen“ – das Mittel sei also vermutlich legal. „Wenn wir das HB-Männchen machen, nützt das gar nichts“, meinte Seyfert. „Der Bund lässt uns im Zweifelsfall glatt auflaufen.“

Genveränderte Pflanzen werden für die Landwirte immer interessanter – unter anderem, um große Menge Mais oder Raps für Biogasanlagen liefern zu können. Die Frage, wie oft der Bauer aufs Feld muss, um Schädlinge zu bekämpfen, entscheiden viele Landwirte daher rein betriebswirtschaftlich. Ein Fehler, der sich schnell gegen die Bauern wenden kann, fürchtet Hartwig Wördemann von Greenpeace in Flensburg: „Sie werden abhängig von den Multis, die entsprechende Produkte anbieten.“ Gerade Monsanto expandiert weltweit und sichert sich die Genome von Pflanzen- und Tierarten. Am Ende wird auf manchen Höfen ohne den Multi nichts mehr laufen, der Landwirt verliert seine Eigenständigkeit.

Zu diesem Problem für den einzelnen kommt das allgemeine Risiko: „Eine Koexistenz zwischen genveränderten Feldern hier und biologisch betriebenen dort funktioniert nicht. Die aggressiveren Pflanzen werden sich durchsetzen, und das sind nun mal die veränderten“, fürchtet der Grüne Habeck. „Schleswig-Holstein muss sich entscheiden: Will es hochwertige Lebensmittel produzieren, oder will es den Multis in die Hände spielen?“