Zivile Opferstatistik gefordert

Human Rights Watch kritisiert, dass Zahlen über zivile Tote und Verletzte nicht mehr vorgelegt werden

Die Zahl der ums Leben gekommenen Zivilisten ist Gegenstand nicht zuletzt politischen Streits

BERLIN taz ■ Die Vereinten Nationen und die US-basierte Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) haben die irakische Regierung aufgefordert, die offiziellen Zahlen ziviler Todesopfer im Irak bekannt zu geben. In der Vergangenheit, kritisierte HRW gestern in einer Stellungnahme, hätte die irakische Regierung stets die ihr vorliegenden Zahlen über zivile Tote und verletzte Personen bekannt gegeben. Doch für den jüngsten Menschenrechtsbericht der Vereinten Nationen, der am vergangenen Mittwoch veröffentlicht wurde, sei die irakische Regierung alle Angaben schuldig geblieben.

Im Jahr 2006 waren durch den extremen Anstieg der Gewalt im Irak nach offiziellen Angaben mindestens 34.000 Iraker getötet und weitere 36.000 verletzt worden. Das geht aus dem letzten veröffentlichten UN-Bericht vom Januar dieses Jahres hervor.

Doch auch zwischen dem 1. Januar und dem 31. März 2007 blieben die zivilen Opfer im Irak, auch in Bagdad, extrem hoch, beklagt die UN Assistance Mission for Iraq (Unami) in ihrem Menschenrechtsbericht (www.uniraq.org). Obwohl eben keine Daten vorgelegen hätten, „gibt es doch ausreichend Belege dafür, dass das hohe Gewaltniveau sich während des Berichtszeitraums fortgesetzt hat, zuzuschreiben vor allem zahlreichen willkürlichen Morden und gezielten Anschlägen durch aufständische Gruppen, Milizen und andere bewaffnete Gruppen.“

Die Gesamtzahl der im Irak seit Kriegsbeginn ums Leben gekommenen Zivilisten ist seit Langem Gegenstand nicht zuletzt politisch motivierten Streits. Im vergangenen Jahr hatte eine Forschergruppe in der britischen Medizinerzeitschrift Lancet die Zahl von 650.000 getöteten Zivilisten veröffentlicht. Die Angaben stützten sich auf Hochrechnungen nach umfassenden Interviews in irakischen Privathaushalten, mit denen eine Sterberate vor und nach Kriegsbeginn errechnet und verglichen wurde. Zahlreiche andere Wissenschaftler widersprachen der Methode und meldeten Skepsis gegenüber der Zahl an – genau wie die britische und die US-Regierung. Die irakische Regierung selbst sprach im vergangenen Jahr einmal von bislang 150.000 zivilen Toten. PKT