NEBENSACHEN AUS SAN SALVADORTOURISMUSINITIATIVE FÜR DAS ZENTRUM VON SAN SALVADOR
: Mörderischer Nervenkitzel

von Toni Keppeler

nebensachen aus san salvador

Das alte Zentrum von San Salvador ist eher etwas für salvadorianische Abenteuertouristen. Schöngeistern hat es nichts zu bieten: Die Kathedrale, erbaut in den Jahren 1956 bis 1999, erinnert in ihrer Stahlbetonwucht ein bisschen an ein Atomkraftwerk. Der neoklassizistische Nationalpalast vom Anfang des 20. Jahrhunderts war Regierungssitz, bis er beim Erdbeben von 1986 teilweise zerstört wurde. Das 1917 eröffnete Nationaltheater imitiert französische Renaissance und protzt im Inneren mit dunkelrotem Plüsch.

Drum herum herrscht der Niedergang: Notdürftig mit Wellblech geflickte Erdbebenruinen; ein paar Querstraßen weiter die Gegend der billigen Bars und Bordelle, wo Männer morgens betrunken auf der Straße liegen und Frauen in kürzesten Röcken in den Eingängen von niedrigen Häusern warten, deren Putz längst abgeblättert ist. Man nennt solche Spelunken „lugares de mala muerte“, Orte des schlechten Todes.

San Salvador ist eine gefährliche Stadt. Was die Höhe der Mordquote angeht, rangiert es seit Jahren weltweit auf einem der ersten drei Plätze. Das alte Zentrum gilt als besonders gefährlich. Besuchern sei empfohlen: keine Armbanduhr, kein Schmuck, keine Geldbörse. Nur ein 10-Dollar-Schein, den man im Falle eines Überfalls abgeben kann.

Etwas besser gestellte Salvadorianer meiden das Zentrum. Doch das soll jetzt anders werden. Die seit knapp zwei Jahren amtierende Mitte-links-Regierung will laut Eigenwerbung „das historische Zentrum retten“ und Präsident Mauricio Funes scheint es ernst zu meinen. Erst hat sein Superminister „für strategische Angelegenheiten“ die unzähligen Buslinien verbannt, die sich rund um die Kathedrale kreuzten. Für Zehntausende war das Zentrum der Ort des Umsteigens und das zog Straßenhändler und dunkles Gesindel in Massen an.

Jetzt, in den Osterferien, folgte der zweite Schritt der Rettung: Das Tourismus-Ministerium bietet den Salvadorianern Ausflüge ins Herz der Hauptstadt an. Und das sogar in den Abendstunden, ab 18 Uhr, wenn die Nacht hereinbricht. Die Busse starten am Messe-Zentrum. Das liegt gleich neben einem teuren Vergnügungsviertel, wo Polizei patrouilliert und Restaurants und Discos von schwer bewaffneten Wachmännern geschützt werden. Es stehen genügend bewachte Parkplätze zur Verfügung.

Aus dieser relativen Sicherheit geht es ins Abenteuer. „Unter strikten Sicherheitsvorkehrungen“, verspricht der Tourismus-Minister Napoleón Duarte. Polizei begleitet die neugierigen Besucher. Der erste Ausflug war schon Tage vorher ausverkauft. Es sei dahingestellt, ob Neugierde dahinter steckt oder einfach nur Lust auf zwei Stunden Nervenkitzel. Unter internationalen Filmverleihern gilt El Salvador als Action-Zone. Im Kino läuft kaum ein anderes Genre. Das Tourismus-Ministerium bietet Spannung nun live im Zentrum.