Die Stasi hat Kaffee gekocht

Ein Stasihauptmann erzählt, was passierte, wenn Diplomaten die DDR-Knäste besuchten

Die Staatssicherheit war stets dabei, wenn Häftlinge aus westlichen Ländern von Mitarbeitern ihrer Botschaften oder Konsulate Besuch erhielten. Es wurde vor allem darauf geachtet, dass die Gesprächsbedingungen genau eingehalten wurden. Nicht gesprochen werden durfte über alle Einzelheiten der vorgeworfenen Straftat, Tatbeteiligte, Verhalten zum Tatvorwurf, vernehmungstaktische und kriminalistische Methoden; auch waren Angaben über Häftlingstransporte oder Beweismaterialien tabu.

Bei Verstößen gegen diese Bedingungen schritt ein Stasioffizier sofort ein. So auch der Stasihauptmann Peter Pfütze, der von 1974 bis 1989 tausende solcher Besuche beaufsichtigte und nun in einem Buch detailliert darüber berichtet. Seine Kernaussage ist: Der Umgang der Stasi mit den Diplomaten ist nach Angaben des Autors stets „kooperativ und sachlich“ gewesen.

Pfütze legt zudem wert auf die Feststellung, dass die Besuche in Besuchszimmern mit „Couchgarnitur, Clubtisch, Schreibtisch mit Sessel, Schrankwand, verdecktem Waschbecken, öffentlichem Telefonanschluss und Teppich“ stattfanden. Zigaretten lagen auf dem Tisch, auch Kaffee oder Tee habe es gegeben. Gleichwohl verliefen nicht alle Besuche so, wie es sich die Stasi wünschte, nachdem sie schon eine Atmosphäre geschaffen hatte, die „sich von der sterilen, abweisenden Kälte eines Gefängnisses“ unterschied. So etwa bei einem Besucher der bundesdeutschen Ständigen Vertretung, der sich, wie Pfütze schreibt, damit gerühmt hatte, jahrelang in der GSG-9 gedient zu haben. Der sei „nicht nur von schlichtem Gemüt und Verstand, sondern auch ziemlich hochnäsig und chauvinistisch“ gewesen.

Bei einem Treffen mit einem U-Häftling – Pfütze: „Ein geistig zurückgebliebener, sehr primitiver Mensch“ – habe er behauptet: „Der ist doch vollgepumpt mit Narkotika, der kann doch nicht einmal auf die einfachste Frage normal reagieren!“ Selbst als der Häftling verneinte, „etwas eingenommen“ zu haben, sei der GSG-9-Mann nicht zu beruhigen gewesen: „Dann hat man ihm unbemerkt etwas ins Essen gemischt?“

Zu Weihnachten gab es für die Westler stets ein Paket von der Ständigen Vertretung. Etliche Spione hätten allerdings die Annahme der Pakete verweigert. „Wenn ihr euch das Jahr über nicht um uns kümmert, könnt ihr uns auch zu Weihnachten gestohlen bleiben!“, hätten die Häftlinge dann stets gesagt, „Wir lassen uns nicht kaufen.“

Häftlinge, die noch nie in ihrem Leben eingesessen hätten, seien der Annahme gewesen, dass es im DDR-Knast besonders schrecklich zugehe. Ihnen hätten die Diplomaten von der Ständigen Vertretung, die bereits durch die Westberliner Haftanstalt in Moabit geführt wurden, die Augen geöffnet: „Knast bleibt Knast“, hätten sie den Gefangenen gesagt, „egal, ob nun hier oder drüben! So groß sind die Unterschiede nicht. Ich habe Moabit gesehen.“

Welche Unterschiede das auch immer waren: Besucherräume mit Kaffee, Tee und Zigaretten gab und gibt es jedenfalls in Moabit bis heute nicht. Auch nicht für Diplomaten. DIETMAR JOCHUM

Peter Pfütze: „Besuchszeit. Westdiplomaten in besonderer Mission“. edition ost, Berlin 2006, 224 Seiten, 14,90 Euro (...)