Ausgeschnüffelt

Erich Schmidt-Eenboom enthüllt in seinem neuen BND-Buch wenig. Lieber erklärt er, warum er sich so arg mit dem Geheimdienst einließ

Ein Buch ist „eine graphische Materialisierung geistig-immaterieller Inhalte zum Zweck ihrer Erhaltung, Überlieferung und Verbreitung in der Gesellschaft“, meint der Brockhaus. Und das stimmt auf jeden Fall für das neue Buch des Geheimdienstexperten Erich Schmidt-Eenboom. Nur worum geht es darin? Eine Orientierungshilfe sollte der Buchtitel sein: „BND. Der deutsche Geheimdienst im Nahen Osten“. Doch mit dem Nahen Osten und den dortigen Aktivitäten des Bundesnachrichtendienstes (BND) haben zumindest das Einstiegs- und das Schlusskapitel gar nichts zu tun.

Hier geht es vielmehr um die sogenannte „BND-Bespitzelungsaffäre“, die vor rund anderthalb Jahren ursächlich zur Einsetzung des gegenwärtigen Untersuchungsausschusses des Deutschen Bundestages führte. Angesichts der kurz darauf enthüllten Affären des Geheimdienstes um Murat Kurnaz, Khaled El Masri und andere ist dieser Aspekt derzeit allerdings zu Recht politisch in den Hintergrund und ans Ende des Untersuchungsauftrages gerückt.

Doch erinnern wir uns: Anfang November 2005 wurde bekannt, dass der Bundesnachrichtendienst den Publizisten und Leiter des Weilheimer Friedensforschungsinstitutes, Erich Schmidt-Eenboom, und seine Umgebung monatelang illegal observiert und ausgeforscht hatte. Grund für die Schnüffelei war sein 1993 erschienenes BND-Buch „Schnüffler ohne Nase“, in dem bis dahin in beispielloser Weise interne Details, Pannen und Affären des Dienstes veröffentlicht worden waren.

In der Folge stellte sich dann heraus, dass auch etliche weitere Journalisten, die im Geheimdienstmilieu recherchieren, zeitweise überwacht wurden. Neues hierzu erfährt ein aufmerksamer Zeitungsleser in Schmidt-Eenbooms knapp 50-Seitigen Auftakt jedoch nicht.

Wie mindestens zwei weitere Kollegen war allerdings auch er bei den Untersuchungen des vom Parlament eingesetzten unabhängigen Gutachters, des Bundesrichters a. D. Gerhard Schäfer, in den Verdacht geraten, zumindest eine Zeit lang selbst Zuträger (hier „Medienspion“ genannt) des BND gewesen zu sein. Die 30 Seiten am Ende nutzt Schmidt-Eenboom daher zu einer Verteidigungs- und Rechtfertigungsschrift. Da wird es dann schon deutlich interessanter.

Nun ist es unbestreitbar notwendig, dass jemand, der über Geheimdienste recherchiert und berichtet, in einem gewissen Rahmen auch persönliche Kontakte zu Insidern und Dissidenten der Dienste pflegen muss, um an entsprechende Informationen zu kommen. Wer da nicht aufpasst, kann die Grenze des Zulässigen schnell überschreiten. Bei der seitenlangen Grenzziehung seines Schlusskapitels muss Schmidt-Eenboom hier immerhin selbst einräumen, in einigen Fällen „deutlich zu weit gegangen“ zu sein und sogar eine „unverzeihliche Dämlichkeit“ begangen zu haben: Er hat für sein Forschungsinstitut Spenden aus dem Geheimdienst angenommen. Die nun mit vierjähriger Verspätung hastig nachgeschobene Erklärung, damals „beruflich und privat im Stress“ gewesen zu sein, trägt da nicht weit. Und so bleibt dann selbst in den Fällen, wo eigenes Fehlverhalten vehement bestritten wird, nicht selten ein komisches Gefühl zurück.

Der mittlere Teil des Buches wiederum, der sich titelgerecht tatsächlich mit dem Nahen und Mittleren Osten beschäftigt, ist von unterschiedlicher Qualität. Ellenlang kramt Schmidt-Eenboom olle Kamellen aus der Nazizeit oder von noch früher hervor und lässt die deutsche Außenpolitik gegenüber den arabischen Staaten seit der Adenauer-Ära noch einmal Revue passieren. Mit dem Bundesnachrichtendienst hat dies häufig bestenfalls indirekt zu tun, oder es heißt lapidar: „Wie weit die Rolle des BND ging, ist unklar.“

Um solche Mängel auszugleichen, versucht Schmidt-Eenboom dann zwischendurch mit einem kessen Salto wieder zur Jetztzeit aufzuschließen. Was zumeist verkrampft wirkt und schon allein deshalb misslingen muss. Auch hier versprechen Buchtitel und Klappentext mehr, als der Autor schließlich einhält. Ein Knüller wie 1993 ist Erich Schmidt-Eenboom mit seinem aktuellen Buch nicht gelungen, die „Steilvorlagen“ für den BND-Untersuchungsausschuss sucht man vergebens. Die „Schnüffler ohne Nase“ können somit in ihren Ställen bleiben.

OTTO DIEDERICHS

Erich Schmidt-Eenboom: „BND. Der deutsche Geheimdienst im Nahen Osten. Geheime Hintergründe und Fakten“. Herbig Verlag, München 2007, 334 Seiten, 22,90 Euro