Stippvisite bei der Zivilgesellschaft

Im Vorfeld des G-8-Gipfels in Heiligendamm treffen sich zum ersten Mal Vertreter der Teilnehmerstaaten mit Nichtregierungsorganisationen. Zentrales Thema ist das Klima

BONN taz ■ Männer, die schweres Gepäck für berühmte Bergsteiger schleppen, heißen Sherpas. Auch für die Staats- und Regierungschefs der G-8-Staaten sind Sherpas unterwegs, die den Weg zum Gipfel in Heiligendamm vorbereiten und viele Positionen schon im Vorfeld abstimmen. Gestern trafen sie sich in Bonn erstmals mit Vertretern von Nichtregierungsorganisationen (NGOs) aus aller Welt zum Meinungsaustausch. Schwerster Brocken nach Einschätzung des deutschen Lastenschleppers Bernd Pfaffenbach: das Thema Klima.

„Es ist wichtig, dass der Druck hoch bleibt, den die NGOs ausüben“, sagte der italienische Sherpa Stefano Sannino. Vielleicht würden in Heiligendamm kühne Entscheidungen getroffen, bei denen Außenseiter dann allein da stünden, deutete er an. Genau das hatte Tobias Münchmeyer von Greenpeace am Vortag gefordert: „Man darf nicht auf lahme Enten wie den US-Präsidenten George Bush warten.“ Er erwarte, dass die führenden Industrieländer in Heiligendamm beschließen, die Emissionen des Treibhausgases CO2 bis 2020 um mindestens 30 Prozent zu reduzieren. Diese Erwartung habe die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel selbst geweckt. Statt dieses Ziel aufzuweichen, solle man lieber die USA außen vor lassen.

US-Sherpa David Mc Cormick räumte am runden Tisch mit den NGO-Vertretern zwar ein, die Wissenschaft liefere inzwischen immer mehr Belege, dass es tatsächlich einen menschengemachten Klimawandel gebe. Doch dann machte er klar, auf welche Verzögerungsstrategie die USA nun setzen: „Wir sollten alle zusammen agieren, und die Schwellenländer müssen dabei einbezogen werden.“ Neben den reichen G-8-Mitgliedsländern werden Anfang Juni auch Vertreter aus China, Brasilien, Indien, Mexiko und Südafrika in Heiligendamm erwartet.

Das zweite Thema auf der Tagesordnung war Afrika. Odour Ong’wen vom südostafrikanischen Handels-Informations-Institut in Kenia kritisierte die Position der G 8, weltweit Investitionsfreiheit durchsetzen zu wollen. „Wir müssen selektiv sein können. Nicht alle dürfen jederzeit kommen, sondern die Investitionen müssen sich an unseren Zielen orientieren.“ Außerdem sollten die G-8-Länder ihre eigenen Versprechen einhalten. Trotz vollmundiger Zusagen vor zwei Jahren ist die Entwicklungshilfe der G-8-Staaten im letzten Jahr tatsächlich um über acht Prozent geschrumpft. Reinhard Hermle von Oxfam Deutschland forderte einen klaren Zeitplan und die Erfüllung gemachter Zusagen. An diesem Punkt blieben die Sherpas sehr vage. „Afrika ist eine politische und moralische Herausforderung“, sagte Maurice Gourdault-Montagne aus Frankreich. Weil China immer wichtiger werde in puncto Investitionen in Afrika – worüber man sich freue – solle es hier einbezogen werden. Immerhin führte Bernd Pfaffenbach dann noch an, dass mehr Staaten in die Entschuldungsinitiative für die ärmsten Länder der Welt aufgenommen werden sollten. Bisher steht das Thema Entschuldung allerdings noch gar nicht auf der Tagesordnung des G-8-Gipfels in Heiligendamm.

Bevor die Sherpas nach zwei Stunden wieder abrauschten, versicherte Pfaffenbach den Anwesenden: „Wofür Sie kämpfen, das liegt bei uns in guten Händen.“ Viele NGO-Vertreter sind da allerdings skeptisch. „Die Politiker sind heute viel geschickter, unsere Positionen mitzudenken“, sagt Friedel Hütz-Adams vom Südwind-Institut. Hinter den gemeinsam benutzten Begriffen verbergen sich oft extrem unterschiedliche Positionen. Das in der Öffentlichkeit zu vermitteln, wird in Zeiten von 15-Sekunden-Fernsehstatements jedoch immer schwieriger. ANNETTE JENSEN