IG Metall lässt die Muskeln spielen

Im Tarifkonflikt der Metallindustrie sind für nächste Woche Warnstreiks geplant. Im internationalen Vergleich gab es in Deutschland aber immer nur wenige Streiktage. Arbeitgeber wollen keine Ausfälle, denn die Betriebe sind gut ausgelastet

VON THILO KNOTT

Die IG Metall hat gedroht und lässt nun Taten folgen. Ab Montag werde es „in einer Massivität Warnstreiks wie nie in der Vergangenheit“ geben, kündigte Jörg Hofmann, Bezirksleiter der IG Metall in Baden-Württemberg, gestern nach einer Sitzung der Tarifkommission an.

Auch Detlef Wetzel, Bezirksleiter der IG Metall in Nordrhein-Westfalen, erklärte nach der gescheiterten vierten Runde der Tarifverhandlungen mit den Arbeitgebern: „Nur über massive Warnstreiks ist jetzt noch eine Lösung zu erreichen.“ 250 Betriebe in Nordrhein-Westfalen, sogar 400 Betriebe in Baden-Württemberg, darunter DaimlerChrysler, Porsche und Audi, sollen nächste Woche bestreikt werden. Doch trotz des Warnstreiks der IG Metall oder des Arbeitskampfes von Ver.di bei der Telekom: Deutschland ist im internationalen Vergleich eher ein Hort des sozialen Friedens – denn Streiks sind eine Seltenheit.

Laut einer OECD-Streikstatistik verzeichnete Deutschland lediglich 17 verlorene Arbeitstage je 1.000 Beschäftigte in den Jahren 1981 bis 2003. In Spanien waren es im gleichen Zeitraum 418, in Italien 315. Nur Japan liegt von den OECD-Ländern noch hinter Deutschland – mit 4 verlorenen Arbeitstagen.

Dies liegt einerseits am restriktiveren deutschen Streikrecht, das anders als in Italien oder Frankreich keine politischen Streiks zulässt. Doch auch ansonsten gehen Gewerkschaften und Arbeitgeber in Deutschland eher friedlich miteinander um: „90 Prozent aller Tarifverhandlungen laufen bei uns ohne jeden Warnstreik ab – Streik ist also die Ausnahme“, sagt Reinhard Bispinck, Tarifexperte bei der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung.

Dabei ist die IG Metall wiederum absoluter Spitzenreiter in der Streiktabelle. Während es etwa in der Chemiebranche seit den 70er-Jahren nur ein einziges Mal Streiks gab, kam die IG Metall in den vergangenen zehn Jahren nur ein einziges Mal ohne Arbeitsniederlegungen aus. 80 Prozent aller Streiks in Deutschland gingen auf das Konto der IG Metall, sagt Hagen Lesch,Tarifexperte des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW). „Diese Unart gehört zum ideologischen Selbstverständnis der IG Metall.“ Dieses Selbstverständnis sei geprägt durch die „alten Industriedomänen“ mit vielen Großbetrieben. Zudem sei der Organisationsgrad im Vergleich zu anderen Gewerkschaften immer noch enorm hoch. Nach IW-Schätzungen liegt dieser in den Betrieben durchschnittlich bei 33 Prozent, im Fahrzeugbau, der die Branche prägt und zumeist das Ziel von Streiks ist, aber bei 56 Prozent. „Da muss die IG Metall immer zeigen, dass sie streikfähig ist«, sagt Lesch.

„Der Streik ist das einzige Mittel, um den Arbeitgebern klarzumachen, dass ihr Angebot sicher nicht ausreichen wird“, widerspricht Bispinck von der Hans-Böckler-Stiftung. Er sieht die IG Metall auch in einer Leitfunktion für die gesamte Tarifpolitik.

Dem Vernehmen nach werden die Warnstreiks auch nicht lange dauern. Die Betriebe sind nach Gewerkschaftsangaben wegen der guten Konjunktur zu 90 Prozent ausgelastet. Jan Stefan Roell, Chef des baden-württembergischen Arbeitgeberverbandes Südwestmetall, fürchtet deshalb die Proteste: „Das wird für uns sehr hart.“ Die Arbeitgeber bieten bisher 2,5 Prozent mehr Entgelt und einen Konjunkturbonus von 0,5 Prozent, die IG Metall fordert 6,5 Prozent mehr. Am 3. Mai gehen die Verhandlungen in Sindelfingen weiter. „Wir werden nicht vom Verhandlungstisch weggehen“, erklärte IG-Metall-Bezirksleiter Hofmann gestern. „Es wird keine sechste Verhandlungsrunde geben.“