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Aufgestaut

Der kleine Schweizer mit der schlechten Laune – Alex Frei schimpft sich in Form und sinniert über seine Zukunft

DORTMUND taz ■ Am Samstag hat es so viele Staus im Westen gegeben, dass im Radio nur solche gemeldet wurden, die länger als drei Kilometer waren. Dadurch entfiel die Meldung über einen Stau auf einer Treppe im Dortmunder Fußballstadion. Es ging gar nichts mehr, wie das häufig so ist, wenn gegafft wird. Die Spieler von Borussia Dortmund blickten nach dem 2:0 (1:0)-Sieg gegen Eintracht Frankfurt gebannt auf den Fernseher. Das aufregende Programm war die Bundesligatabelle im Videotext. Nach und nach brummte ein Gaffer: „Fünf Punkte.“ So groß ist der Abstand des BVB jetzt auf einen Abstiegsplatz. „Wir sind noch nicht gerettet, aber das war ein Riesenschritt in die richtige Richtung“, sagte Thomas Doll, der sich nach mehr als einem Jahr beim HSV und der Borussia wieder über einen Heimsieg freuen durfte. Der Trainer schoss ein paar Spitzen gegen die Journalisten ab, die es nicht geschafft hätten, Keile in die Mannschaft zu treiben oder Christoph Metzelder zu vergraulen, der nach der Saison wechseln wird.

Als sich der Stau auf der Treppe aufgelöst hatte, wollte auch Alexander Frei noch einmal auf den Rasen, um mit den Mannschaftskollegen auszutraben. Da es aber nach den Erstrechteverwertern auch noch einige mit Zweitrechten gibt, meldete sich das ZDF an. „Ihr lernt es nicht“, blaffte Frei den Reporter an. „Wir sind ein Team. Alle gehen zum Auslaufen, nur der Alex Frei nicht, weil er zwei Tore geschossen hat.“ Genau das war der Grund dafür, dass jeder mit dem Schweizer sprechen wollte. Es waren zwei wunderschöne Freistoßtore, Frankfurts Trainer Friedhelm Funkel nannte sie „Geniestreiche“. Zumindest beim ersten Treffer aber traf den Eintracht-Torhüter Oka Nikolov die Schuld, dass der Ball auch einschlug. „Danke, das heißt also, dass sie schlecht geschossen waren“, ätzte Frei.

Wenn das Etikett „Lebensversicherung“ nicht schon auf dem Bochumer Theofanis kleben würde, müsste es Alexander Frei angeheftet werden. Mit nun 15 Toren ist er vermutlich schon über der Marke, die von ihm zu erwarten war. Merkwürdigerweise tritt der Schweizer aber mit einer mieseren Grundstimmung auf als Nelson Valdez, der auf 15 Tore weniger kommt. Frei entwickelte in der vergangenen Woche eine verwegene Verschwörungstheorie. So sei ihm beim 1:0-Sieg in Berlin ein Treffer aberkannt worden, weil „der kleine Schweizer“ nicht vor Klose in der Torschützenliste stehen dürfe. Einige Aussagen ließen den Schluss zu, dass Frei nach der Saison den Verein wechseln will. Inzwischen sieht er den Punkt, in dem er sich in Dortmund nicht mehr wohlfühlen könnte, in „zwei oder vier Jahren“.

Es war bezeichnend für die mäßige Partie, dass die Tore mit direkten Freistößen erzielt wurden. Auf gepflegten Kombinationsfußball mussten 81.000 Zuschauer verzichten. „Wir waren nicht richtig zwingend. Vieles war Stückwerk“, sagte Frankfurts Vorstandsvorsitzender Heribert Bruchhagen. Damit hatte er die Niederlage auch schon abgehakt. „Wir haben jetzt ein wirkliches Königsspiel gegen Alemannia Aachen. Da müssen wir alle Kräfte bündeln und dürfen uns nicht auf Scharmützel einlassen.“ Das war die Umschreibung für eine Trainerdiskussion, die in der vergangenen Woche bizarre Züge angenommen hatte, sie wurde zum Politikum für Gelangweilte. Der hessische FDP-Chef forderte in einem offenen Brief die Entlassung Funkels. Bruchhagen wird ihn mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht erhören: „Wir können nicht leugnen, dass wir in einer Krisenphase sind. Trotzdem ist Friedhelm Funkel der richtige Mann, der uns ins Ziel führen wird.“ Derzeit staut es sich halt nicht nur in Dortmund ein wenig. MARCUS BARK

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