Weg aus der tribalen Gesellschaft

betr.: „Die heilige Familie“, taz vom 27. 4. 07

Es entspricht den Allmachtsphantasien von Eltern, wenn sie sich beim Anblick ihres neugeborenen Kindes für unersetzlich halten. Wie hilflos erscheint es, wie vertrauensvoll blickt es uns an. Beweist dieses Wunder, das sie da fabriziert haben, nicht geradezu ihre fehlerlose Fähigkeit? Worüber wir uns Gedanken machen müssen, ist über unsere Gesellschaft. Welches sind die Elemente, die Strukturen, die Werte unserer Gesellschaft und in welche Lebenseinstellung und Haltung möchte ich die nächste Generation hineinerziehen?

Wenn Bischof Mixa et al. sich Gedanken zu Müttern machen und damit über ein fachfremdes Gebiet schreiben, erlaube ich mir Gedanken zu christlichen Werten zu äußern. Es gibt in den Geschichten über Jesu Leben einige befremdliche Szenen, wie jene, als er vom Kreuz herab seiner weinenden Mutter mit den Worten: „Was willst du, Frau?“ einen seiner Jünger zum Ersatzsohn gibt. Ein anderes Mal zieht er zwei Söhne, die ihrem alten Vater beim Fischen geholfen haben, ab und stellt sie in den Dienst des Gemeinwohls (macht sie zu Jüngern). Und ganz deutlich wird es beim barmherzigen Samariter, der weiß, wer sein „Nächster“ ist, nämlich der Bedürftige und nicht der Angehörige. Das sind alles Wege aus einer tribalen Gesellschaft in eine größere gesellschaftliche Beziehung.

Wir haben inzwischen eine Gesellschaftsordnung gefunden, die auf Rechtsstaatsprinzip und Nächstenliebe unabhängig von Familienbanden gründet. Bildung und Würde sind für jeden frei. Dazu möchte ich meine Kinder erziehen und freilassen in ein größeres Beziehungsgeflecht, als Muttern Schoß. DANIELA SELBERG, Hannover

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