Israels Führung heftig in der Kritik

Kommission macht Regierungschef und Verteidigungsminister für die Fehler im Libanonkrieg des vergangenen Jahres verantwortlich. Zwischenbericht führt übereilte Entscheidungen und persönliche Abitionen auf. Stabschef musste bereits gehen

AUS JERUSALEM SUSANNE KNAUL

Erst wenn Israels Premierminister Ehud Olmert am heutigen Montagnachmittag den Zwischenbericht der sogenannten Winograd-Kommission in den Händen hält, will er öffentlich darauf reagieren. Die Kommission unter Leitung des ehemaligen Richters Eliahu Winograd untersucht das Verhalten von Regierung und Armee während des Libanonkrieges im vergangenen Sommer. Auszüge, die am Wochenende an die Presse durchsickerten, klagen Olmert an, sich von der Armeeleitung in die Irre geführt haben zu lassen und übereilt Entscheidungen getroffen zu haben. Verteidigungsminister Amir Peretz, heißt es weiter, sei von persönlichen Ambitionen getrieben worden.

Die Hauptverantwortung für das Disaster trägt der Kommission zufolge der damalige Stabschefs Dan Chalutz, der bereits im vergangenen Januar seine Uniform an den Nagel hängen musste. Der Zwischenbericht behandelt den Zeitraum nach Israels Abzug aus dem Libanon bis zu den ersten Kriegstagen. Die Liste der Versäumnisse beginnt damit, dass Israel die Bewaffnung der schiitischen Hisbollah nicht aufzuhalten wusste. Erst neun Wochen vor dem Krieg war der ehemalige Gewerkschaftsführer Peretz überraschend zum Verteidigungsminister berufen worden. Schon die Tatsache, dass er den Posten ungeachtet seines Mangels an Erfahrungen annahm, empfinden die Mitglieder der Winograd-Kommission als kritikwürdig. Die Führung habe sich in einen Krieg ziehen lassen, ohne eine Ahnung davon gehabt zu haben, wie er enden könnte.

Der scharfen Kritik zum Trotz, rechnet der Koalitionsvorsitzende Avigdor Jizchaki nicht damit, dass „der Winograd-Bericht das politische System so weit erschüttern wird, dass wir den Premierminister auswechseln müssen“. Die größere Hürde erwartet Olmert erst im Sommer, wenn der Bericht komplett ist. Peretz wird nach den internen Wahlen der Arbeitspartei Ende Mai vermutlich seinen Posten verlassen.

Die Opposition forderte gestern den Rücktritt des Premier- und des Verteidigungsministers. Aktivisten des konservativen Likud organisierten dazu Demonstrationen. Aber auch von links regnete es Vorwürfe auf die Verantwortlichen. „Olmerts Schicksal wird dem von Golda Meir gleichen“, meinte Meretz-Chef Jossi Beilin. Meir trat nach dem Jom-Kippur-Krieg 1973 als Premierministerin zurück. Beilins Parteifreundin Sahava Gal-On sprach von „unverantwortlichen Führern, die mit dem Leben von Soldaten und Zivilisten spielen“.

Regierung und Armee wurden offensichtlich von der Schlagkraft der Hisbollah überrascht. Bis zum letzten Kriegstag griffen die schiitischen Extremisten den Norden Israels mit Raketen an.