Weltbank-Geld bedroht Victoriasee

360 Millionen US-Dollar in Krediten und Garantien sollen ein drittes Wasserkraftwerk am Victoria-Nil ermöglichen. Umweltschützer befürchten die Austrocknung des Sees und halten das Projekt auch ökonomisch für völlig verkehrt

AUS NAIROBI MARC ENGELHARD

Im tosenden Wasserfall des Victoria-Nils, so glaubt die Bevölkerung in diesem Teil Ugandas, lebt der Bujagali, ein mächtiger Geist. In der Vergangenheit soll er sich in mehr als 30 Anführern manifestiert haben, die zum Beweis ihrer Kräfte auf einem heiligen Stück Baumrinde durch den Wasserfall schwimmen mussten. Für die Zukunft sind die Aussichten dafür düster: Am Freitag hat die Weltbank 360 Millionen US-Dollar in Krediten und Garantien zugesagt. Damit steht fest: Spätestens 2011 wird der Bujagali-Wasserfall wohl von einem Stausee überspült sein, der ein riesiges Wasserkraftwerk speisen soll.

„Das Bujagali-Kraftwerk ist wichtig für die verlässliche Stromversorgung, die Uganda für wirtschaftliches Wachstum und Entwicklung braucht“, rechtfertigt der Infrastruktur-Direktor der Weltbank, Rashad Kaldany, die Entscheidung. Tatsächlich fällt in ganz Uganda fast täglich der Strom aus. Seit 13 Jahren wird deshalb über das 250-Megawatt-Kraftwerk diskutiert, das insgesamt fast 800 Millionen Dollar kosten soll. Der Stromgigant AES investierte bis 2002 Millionen in das Projekt; dann zog die Weltbank wegen Korruption und Zweifeln am Sinn des Projekts ihre Unterstützung vorerst zurück. Inzwischen hat ein amerikanisch-kenianisches Konsortium den Bau übernommen. Nach einer Umweltverträglichkeitsprüfung ist die Weltbank wieder eingestiegen, obwohl Umweltschützer das Projekt unverändert kritisieren. Sie befürchten vor allem, dass der Damm die Austrocknung des Victoriasees, des zweitgrößten Binnenmeers der Welt, beschleunigen wird.

Seit 1959 steht der Nalubaale-Damm in Jinja, wo der Nil aus dem Victoriasee abfließt. Kaum einen Kilometer stromabwärts nutzt der Kiira-Damm das gleiche Wasser. Der Bujagali-Damm – weitere acht Kilometer flussabwärts – soll die gleiche Wassermenge zum dritten Mal nutzen. Das ist wichtig, weil Uganda Ägypten vertraglich zugesichert hat, nur wenig Seewasser zu entnehmen – so soll der Nil weiterhin ungehindert fließen.

Doch die Wirklichkeit sieht anders aus, wie eine Studie des Internationalen Flüsse-Netzwerks IRN belegt. Tatsächlich nutzen die Dämme viel mehr Seewasser als erlaubt und tragen damit dazu bei, dass der Pegel des Victoriasees seit Jahren sinkt. Mit Folgen auch für Ugandas Wasserkraftwerke: Wegen des geringeren Wasserdrucks produzieren sie weniger als ein Drittel der technisch möglichen 380 Megawatt – Tendenz fallend.

„Die Investition in Bujagali rentiert sich nur, wenn man nochmal mehr Wasser aus dem See entnimmt“, rechnet Ambrose Mugisha von „Nature Uganda“ vor. Effektiver seien Investionen in die veralteten Netze. Dass der durchschnittliche Ugander von Bujagali profitiert, glaubt Mugisha nicht. „Das Stromnetz erreicht derzeit nur 3 Prozent der Bevölkerung, und selbst dort, wo es Strom gibt, ist er zu teuer.“ Dezentrale erneuerbare Energien würden deutlich mehr helfen, so Mugisha. „Mit 800 Millionen US-Dollar könnte man sehr, sehr viele Leute mit Solar- oder Windkraft versorgen.“