OFF-KINO: Filme aus dem Archiv – frisch gesichtet
Im August jährt sich der Bau der Berliner Mauer zum fünfzigsten Mal, jene in Beton gegossene Zementierung der seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs herrschenden Teilung Europas in zwei Blöcke, 1961 ein neuer Höhepunkt des Kalten Krieges. War Berlin schon zuvor ein Tummelplatz für Agenten gewesen, wurde die Frontstadt mit dieser neuen Verschärfung der Situation geradezu zur Hauptstadt der Spionage, der realen ebenso wie jener, die uns im Kino beider Blöcke davon überzeugen sollte, jeweils auf der richtigen Seite der Mauer zu stehen. Die vom Goethe-Institut London initiierte Filmreihe „The Celluloid Curtain – Europe’s Cold War in Film“ lässt uns noch einmal zurückblicken auf ein Filmgenre, das in den 1960er Jahren sehr vielschichtig zwischen poppigen Pistolenthrillern, düsteren Psychodramen und plumper Politpropaganda oszillierte. Extrem ungewöhnlich ist der rumänische Eröffnungsfilm der Reihe, „S-a furat o bomba“ (1961), eine dialoglose satirische Farce, die in vielen Genres wildert und auch vor Slapstick mit Tortenschlacht nicht Halt macht. Die Typen, die hier versuchen, eine Atombombe zu stehlen, haben nämlich nicht unbedingt die große Kompetenz für sich gepachtet: Zunächst einmal brechen sie versehentlich in ein Klosett ein. Doch dann wird ganz schnell klar, wie das war mit der Atombombe: Jeder will sie unbedingt haben – zugleich haben aber auch alle so viel Angst, dass sie sie möglichst schnell wieder loswerden wollen. (OF, 1. 6., Zeughauskino)
Shalom Nagar war der Henker des Naziverbrechers Adolf Eichmann. Genauer gesagt: Eigentlich war er der Gefängniswärter Eichmanns und betätigte nach dessen Verurteilung zum Tode schließlich den Hebel, der die Falltür unter dem Galgen öffnete. Gerissen hat er sich um diesen Job nicht. Und wie er in der Doku „The Hangman“ erzählt, hat die Hinrichtung Eichmanns bei ihm letztlich sogar ein Trauma ausgelöst. Doch das Schöne an Netalie Brauns Film ist die Tatsache, dass er Shalom Nagar nicht auf die Rolle des Henkers beschränkt. Stattdessen lernt man einen heute zutiefst religiösen Menschen kennen, der Konsequenzen aus seinem Trauma gezogen hat: Immer wieder ist er in seinem Leben vehement für Toleranz und humanistische Werte eingetreten – und damit auch in Gegensatz zu den Kreisen orthodoxer Siedler geraten, in denen er sich lange Zeit bewegte. (OmenglU 31. 5., Arsenal)
Wussten Sie, dass die „zehn kleinen Negerlein“ aus dem bekannten Abzählreim im Englischen „Ten Little Indians“ heißen, was auch nicht wirklich politisch korrekter daherkommt? Nun, jedenfalls wird nach besagtem Prinzip gemordet in René Clairs Krimi „Das letzte Wochenende“ (1945), in dem sich zehn Personen zu einem Wochenende auf einer einsamen Insel zusammenfinden. Offenbar geht ein Rächer ohne allzu offensichtliches Motiv um, was die – vorerst noch – Überlebenden schwer ins Grübeln kommen lässt. Clair hat eine ausgesprochen sarkastische und makabre Mordrevue geschaffen, in der große Charakterdarsteller wie Walter Huston und Barry Sullivan brillieren. (28. 5., Lichtblick) LARS PENNING
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