: Ich weiß noch was für die ZLB!
SPD-KANDIDATENWETTSTREIT
Eigentlich ist es doch nur eine weitere Bibliothek. Zugegebenermaßen eine sehr große. So groß, dass sie dem Anspruch einer neuen Zentral- und Landesbibliothek gerecht wird. Aber letztlich eine, wegen der keine Leute auf die Straße gehen – anders etwa als bei der Wohnungsnot, Verkehrsproblemen oder sozialen Missständen. Und doch entwickelt sich diese ZLB zu einem echten Thema in der SPD-Nachfolgesuche für Noch-Regierungschef Klaus Wowereit.
Denn SPD-Fraktionschef Raed Saleh als einer der drei Bewerber hat Anfang vergangener Woche schon den dritten Vorschlag gemacht, wo diese ZLB hin soll. Nachdem sie als Folge des Volksentscheids vom Mai nicht am Rand des Tempelhofer Felds entstehen kann, hatte Saleh schon das ICC und das Tempelhofer Flughafengebäude als Ersatzstandorte genannt. Nun packte er noch eins drauf: Das abseits gelegene Ethnologische Museum in Dahlem, dessen Bestände künftig im Humboldt-Forum zu sehen sein sollen, würde aus seiner Sicht Platz bieten. Wowereit-Nachfolge-Konkurrent Jan Stöß hingegen bevorzugt, wie er am Montag sagte, einen Neubau neben der Amerika-Gedenk-Bibliothek (AGB) in Kreuzberg.
Es ist mal zu unterstellen, dass die drei Nachfolge-Bewerber die jetzigen ZLB-Standorte in der Breiten Straße und die AGB schon mal von innen gesehen haben. Ob das auch für den überwiegenden Rest der Berliner gilt, ist äußerst fraglich. Die Standortfrage scheint sich komplett von der tatsächlichen Nutzung abzukoppeln und nun zu einem vermeintlichen Ausweis von Kreativität zu entwickeln – im Stile von: „Da kommt was Neues, und ich sag euch, wo!“
Wenn aber die Frage eines Bibliotheksstandorts tatsächlich von Bedeutung für die Eignung als Regierungschef sein soll, dann hat Saleh ein Eigentor geschossen. In Dahlem, janz weit draußen, so schön es da auch sein mag? Für eine Bibliothek, die stadtweite Funktion haben und auch Marzahner und Reinickendorfer versorgen soll? Für einen Ort, der nicht nur Buchausleihstelle, sondern auch Kommunikationsort sein soll, wie es so schön heißt?
Saleh kann nur hoffen, dass die SPD-Genossen beim laufenden Mitgliedervotum andere Maßstäbe anlegen als Durchblick bei der ZLB. Sonst kann er sich die weiteren Kandidatendiskussionen und Mitgliederforen sparen. STEFAN ALBERTI
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