Sven Kamin, Niedersächsisch-Bremischer Slam-Poetry-Meister: Manchmal Protest-Poet
■ 32, wuchs in Syke auf, studierte in Kassel und arbeitet als Redakteur in Uelzen. In Bremen erlebte er seinen ersten Poetry Slam.
Am Anfang war Sven Kamin ein Theoretiker: Poetry Slams waren Gegenstand seines Englisch-Studiums, als es um moderne Lyrik ging. Heute ist er ein Praktiker, dichtet in deutscher Sprache und trägt sie vor Publikum vor, zuletzt vor 1.200 Zuschauern in der Hannoverschen Staatsoper. Die bewerteten seine Arbeit und seinen Auftritt recht positiv: Am vergangenen Sonntag gewann der 32-Jährige vor ausverkauftem Haus die erste Slam-Poetry-Meisterschaft von Niedersachsen und Bremen.
Im Studium blieb es bei der Theorie, weil es in Kassel keine Slammer-Szene gab. Stattdessen spielte Sven Kamin Theater wie zu Schulzeiten. Und machte auch schon mal Kabarett oder Vortragsabende, wo er mit den anderen Texte von „Dada bis Hölderlin“ las, wie er sagt. Als er anfing zu arbeiten fehlte ihm die Zeit für die Theaterproben – er arbeitet als Lokalredakteur bei einer Tageszeitung in Uelzen. Er suchte etwas Neues und fand 2008 eine Slam-Show in Bremen, die ihm gefiel.
Für ihn sei das ein bisschen wie Theater spielen, sagt er heute. Aber in eine andere Rolle schlüpfe er dann nicht mehr. Seine Texte sind zum einen Teil Blödeleien, etwa wenn Kamin sich über den Scheibenwischer am Auto Gedanken macht. Aber es gibt ihn auch in ernst, dann verarbeitet er „Dinge, die mal gesagt werden müssen“, wie Kamin selbst sagt, zu einer Poetry-Performance.
In seinem Stück „kalt“, redet er sich in Wut, dann ist er ein Protest-Poet. Es geht dann um Kinderarmut, niedrige Löhne und das Leben von Flaschensammlern. Er ruft die Leute auf, „Nein“ zu sagen – auch Journalisten. Sie sollen nichts Nettes über Leute schreiben, nur weil sie eine Anzeige geschaltet haben, sagt er zu seinen Kollegen.
Irgendwo zwischen Blödelei und großer Gesellschaftskritik ist sein Werk über das Gedicht, das sich über die Analysen in Schulen und Universitäten wehrt, gegen die Zerlegung in Reimschemata und Rhythmen. Mit den beiden Stücken – Gedichts- und Gesellschaftskritik – gewann er in Hannover. Im Oktober fährt er damit zum Finale der nationalen Slam-Meisterschaft nach Hamburg.
DANIEL KUMMETZ
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