ortstermin: Prämierte Hausboot-Entwürfe werden vorgestellt: Ein Boot ist ein Haus ist ein Boot
In der Reihe „Ortstermin“ besuchen Autoren der taz nord ausgewählte Schauplätze am Rande des Nachrichtenstroms
So sind sie, die Hausboot-Jurys. Messen die Qualität von eingereichten Entwürfen doch glatt an der Frage, ob die da entworfenen Objekte auseinanderzunehmen und unter Brücken durchschleusbar sind. Denn „nach 15 Jahren muss jedes Boot mal in die Werft“, wie es Hamburgs Oberbaudirektor Jörn Walter gestern im Museum der Arbeit sagte. „Und dann darf es nicht zu aufwändig sein, das Obergeschoss abzumontieren.“ Und so sind die zehn prämierten Entwürfe eines Hausboot-Wettbewerbs – nein, nicht stromlinienförmig geworden, sondern eher flachstirnig. Beliebteste Materialien: Holz und Stahl.
81 Interessenten hatten sich beworben um das Wohlwollen der Jury, die mit dem Projekt eine 2003 entwickelte Idee des Hamburger Senats umsetzte, das wassernahe Wohnen zu fördern. In der Folge hatte die Stadt allerlei Liegeplätze ausgewiesen. Was sich da gestern versammelte, war wohl, was man die einschlägige Hamburger Architekten-Szene nennen könnte. Die Protagonisten sahen so aus, wie man sie sich immer vorgestellt hat: Jeans unten, Anzugjacke oben bei den bis 40-Jährigen, hirnfarbener Grobripp-Cordanzug bei den älteren. Und nochmal Jeans – allerdings zur verwaschenen Lederjacke – für die noch Älteren. Dazu ein routinierter Leiden-an-der-Welt-Blick. Und, eigentlich erstaunlich, es war eine fast reine Männergesellschaft, abgesehen von einzelnen Architekturstudentinnen und Architektengattinnen, die geräuscharm mit Sektgläsern flanierten.
Aber man soll nicht ungerecht sein. Denn es ist offenbar nicht einfach, ein Boot zu entwerfen, das eigentlich gar keins ist. „Das hätte ich anders gemacht. Das hätte ich unten drunter gehoben“, ließ sich etwa ein schwarz gekleideter Mittdreißiger vor einem der Gewinnermodelle vernehmen. „Das ist doch Scheiße hier“, befand er dann. Ob er vielleicht selbst keinen Preis bekommen hatte und einfach neidisch war?
Kein bisschen bissig, sondern jovial dagegen trug der erwähnte Oberbaudirektor vor, was er vorzutragen hatte. Vielleicht war ihm entfallen, dass er mal nicht auf einer zugigen Großbaustelle sprach, sondern im übersichtlichen Innenraum und ins Mikro. Mit Sentenzen wie „es ist nicht ganz Haus, nicht ganz Boot“ umriss er das Problem einer ganzen Gattung. Nicht nur, dass die soziale Aufwertung des Hausboots in den letzten Dekaden ganz erheblich gewesen sei, sagte er. Nein, auch die Tatsache, dass es sich um eine Zwischenform handele, mache diesen Wettbewerb interessant.
Wobei Fragen der klaren Abgrenzung die Jury offenbar kaum interessiert hatten. Vielmehr schien es, als sollte sich das ideale Hamburger Hausboot gerade nicht von den umliegenden Häusern unterscheiden, um das städtische Gesamtbild nicht zu stören. Die Resultate waren entsprechend: Keinen windschnittigen Bug, sondern eckige Gebilde hatte man auserkoren. Ganz normal funktionalistische, teils den Skandinaviern, teils dem Stahl-und-Glas-Trend der Hafencity abgeguckte Häuser, die eigentlich nur zufällig auf dem Wasser liegen. Fast so, als habe man mühevoll zusätzlichen Wohnraum schaffen wollen für die Reichen, weil die Pracht an Land nicht reicht.
Blank lag bei der Vernissage das Selbstbewusstsein der Jung-Architekten und brach sich Bahn in huldvollen Blicken auf den „Porsche unter den Hausbooten“, wie es der Oberbaudirektor formulierte. Wie der aussah? Nun, wie eine recht eigene Mischung aus der Sidneyer Oper, geschmolzenem Getty-Museum und einer Motoryacht. Dieses Boot könnte wohl tatsächlich fahren, auf in die weite Welt.
Wobei die Mobilität, die der Begriff „Hausboot“ nahelegen mag, im Hamburger Wettbewerb, einigermaßen absurd, nicht erwünscht war. Und in diesem Punkt, das muss man ihr lassen, war die hanseatische Jury bewundernswert konsequent: Alle Entwürfe, die auch nur entfernt an ein Boot erinnerten oder etwa zwei – für die Brückenfahrt übrigens perfekt abmontierbare! – Leuchttürme aufs Deck gesetzt hatten: Die waren selbstredend rausgeflogen. In der Vorrunde. PETRA SCHELLEN
Zu sehen sind die siegreichen Entwürfe noch bis zum 19. 5. im Museum der Arbeit, Hamburg
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