Die Europäische Union zu Gast

Selbst in so einsamen Höhen hausende Menschen wie echte EU-Kommissare brauchen gelegentlich ein „Going local“: Europas Kultur-Chef und Bildungsbeauftragter Ján Figel erklärt in Bremen, warum „Culture not so powerfull, but very meaningfull“ ist

VON HENNING BLEYL

So populär wie ihre Kollegen vom „Tatort“ sind die EU-Kommissare nicht, „going local“ ist deswegen die Devise der 24 europäischen Überminister. Doch als Ján Figel, Kommissar für Kultur und Bildungszustände, den Weg zu einer Diskussion nach Bremen findet, muss er vor Ort mit einem anderen Ereignis europäischer Dimension konkurrieren: Dem Uefa-Cup-Spiel Bremen gegen Barcelona. Dass Figel auch Europas oberster Sportverantwortlicher ist, konnte die Abstimmung mit den Füßen nicht wirklich beeinflussen.

Dabei hat man einen Mann mit soviel amtsimmanenten Überblick nicht all zu oft vor sich. Also: Wie macht sich Deutschlands Kulturstaatsminister, der Bremer CDU-Chef Bernd Neumann, im Reigen seiner europäischen Amtskollegen? Der sei „tough“, meint Figel, „ a real homus politicus“. Und was hat die deutsche Ratspräsidentschaft kulturell bisher gerissen? Sie sei „very supportive“, das Urteil sei keineswegs der Höflichkeit geschuldet – Figel verweist auf den Berliner Kongress über „Kreative Industrien“: Mit ihm werde deren ökonomische Bedeutung erstmals auf Prime Minister-Ebene anerkannt. Immerhin trage die Kulturbranche 2,6 Prozent zur Wirtschaftsleistung der EU bei, beschäftige EU-weit 5,8 Millionen Menschen und macht einen Umsatz von 650 Milliarden Euro.

Ist Figel also Europas mächtigster Kulturmanager? Wie man‘s nimmt. Der 46-Jährige hat einen Apparat mit 1.000 MitarbeiterInnen, der Kulturetat wurde von zuletzt 340 Millionen auf 400 Millionen Euro erhöht – mit sechsjähriger Laufzeit. Anders gerechnet ist das eine mehr als mickrige Zahl: Der EU-Kulturverantwortliche hat, in Jahreshaushalten ausgedrückt, etwa so viel wie sein Bremer Amtskollege. Um es wieder flächendeckend auszudrücken: pro EU-BürgerIn und Jahr werden sieben Cent für Kultur ausgegeben.

Helga Trüpel, die Figel nach Bremen geholt hat, kämpft deswegen für eine Verzehnfachung dieses Etats. 2004 schaffte sie es spektakulär als zweite Abgeordnete der dafür eigentlich viel zu kleinen Bremer EU-Wahlregion ins Parlament und wurde dort prompt Vizevorsitzende des Kultur- und Bildungsausschusses.

Als Staatssekretär im Außenministerium hatte Figel die Modalitäten des slovakischen EU-Beitritts selbst ausgehandelt – wobei er, nicht eben zimperlich, die durch zahlreiche Gewaltakte ausgelöste Flucht slovakischer Roma-Familien nach Finnland als Inszenierung „staatsfeindlicher Elemente“ bezeichnete. Als EU-Kommissar macht er einen ausgesprochen freundlichen Eindruck. „Culture is not so powerfull but very meaningfull“, sagt Figel. Kulturell gesehen sei Europa „eine Supermacht“, nicht zufällig kämen 55 Prozent aller TouristInnen auf den Kontinent.

Nicht zuletzt seit den ablehnenden Abstimmungsergebnissen über eine EU-Verfassung wird Kultur als identitätsstiftende Kraft hochgehalten. Als konkretes Politikfeld ist sie allerdings von eben diesem Verfassungsentwurf, ebenso vom gültigen Nizza-Vertrag, ausgesprochen eingeschränkt: Kulturpolitik ist als ureigenste Zuständigkeit der Mitgliedsstaaten beziehungsweise deren administrativer Untereinheiten definiert – nicht ohne Grund geht Figel das Wort „Kultusministerkonferenz“ so fehlerfrei von den Lippen.

Im Bereich „education“, ebenfalls in seiner Zuständigkeit, kann Figel auf Faktenträchtigeres verweisen: Auf das Programm „Life long Learning“ etwa, ein auf sieben Jahre angelegtes und sieben Milliarden Euro schweres Konglomerat aus Modellprojekten, das die Mobilität zwischen den Systemen der allgemeinen und beruflichen Bildung fördern soll. Beim Thema „Erasmus“ wird der sonst sehr dezent auftretende Mann fast enthusiastisch: Bereits anderthalb Millionen Studierende seien auf diese Weise mobil geworden. Dann sagt Figel, wieder recht leise: „Europa ist ein Erfolg.“