Freiheiten und Fragezeichen

Die Juniorprofessur ist begehrt. Doch viele Kandidaten gehen auf Nummer sicher und habilitieren sich parallel, weil der föderale Wirrwarr verunsichert

VON SVEN KULKA

Sie soll im Wettbewerb um die klügsten Köpfe von zentraler Bedeutung sein und junge Wissenschaftler durch mehr Freiräume fördern: die Juniorprofessur. Viele kritisieren das Modell, andere sind begeistert. An der Ruhr-Universität Bochum ist es ein Erfolg: 35 Juniorprofessoren hat die Universität angestellt. Eine von ihnen ist Carola Meier.

2002 entschied sich die 36-Jährige für das Modell. Sie bewarb sich und bekam eine Stelle an der Medizinischen Fakultät in der Abteilung Neuroanatomie, wo sie forscht und lehrt. In der Lehre hält die Humanbiologin Seminare und Vorlesungen, erklärt den Studenten das Skelett des Menschen, seine Organe und das Gehirn. Sie übt mit den Studierenden und hält Prüfungen ab. In der Forschung untersucht sie im Labor mit Pipette und Mikroskop Zellen aus Nabelschnurblut für eine eventuelle Therapie gegen Hirnschäden. Sie führt Forschungsprojekte durch und beantragt eigene Forschungsgelder zu Projekten.

„Diese Aufgaben bereiten mich sehr gut auf eine Lebenszeitprofessur vor“, sagt Carola Meier, die vieles selbst entscheiden darf. Selbstständig arbeiten heißt für Carola Meier auch, Personaleinstellungen vorzunehmen, Arbeitsverträge und Arbeitszeugnisse zu schreiben sowie Betriebs- und Laboranweisungen zu erteilen. „Das müssen Habilitanden natürlich auch“, sagt die junge Wissenschaftlerin. Hier sei der Chef allerdings immer noch weisungsbefugt. Einen weiteren Vorteil sieht Carola Meier darin, dass sie in Gremien arbeiten könne und so Einblicke in Kommissionen und Verwaltungsabläufe erhalte. Zudem dürfe sie Promotionsstudenten eigenständig betreuen und promovieren, erklärt sie.

Nach drei Jahren hatte Carola Meier eine Zwischenevaluation. Gutachter bewerteten ihre Arbeit, und sie selbst musste einen Bericht über die Forschung und Lehre schreiben. „Voraussetzung, um drei weitere Jahre in dieser Position zu arbeiten“, erklärt die Juniorprofessorin. Nach insgesamt sechs Jahren endet die Juniorprofessur automatisch. Auch bei Carola Meier, die hofft, dass sie im Anschluss eine Professorenstelle auf Lebenszeit erhalten wird.

Seit Februar 2002 gibt es die Juniorprofessur, um jungen Wissenschaftlern mit herausragender Promotion ohne die bisher übliche Habilitation direkt unabhängige Forschung und Lehre an Hochschulen zu ermöglichen und sie für die Berufung auf eine Lebenszeitprofessur zu qualifizieren. Ein Modell, mit dem Hochschulen, vor allem aber die Fachbereiche, unterschiedlich umgehen.

„Während die Natur- und Ingenieurwissenschaften sowie die Medizin der Juniorprofessur offen gegenüberstehen, wird insbesondere in den Geisteswissenschaften die Habilitation oft als notwendiger Zusatz gesehen“, sagt Manfred Buschmeier vom Referat für Forschungs- und Wissenschaftstransfer der Ruhr-Universität. Einige der Wissenschaftler hätten schon einen Ruf auf eine Professur angenommen. Das sei eine erfreuliche Bilanz – aber nicht immer der Fall. Aus diesem Grund spricht sich Bundesbildungsministerin Schavan auch dafür aus, dass bei entsprechender Qualifikation ein weiterer Werdegang in der Wissenschaft möglich sein müsse.

An der Ruhr-Universität beispielsweise soll das künftig der Fall sein. Die Verträge will die Hochschule mit Tenure Track ausschreiben – eine anschließende Professur an der Ruhr-Uni wäre somit nach Antritt einer Juniorprofessur gesichert. Noch setzen allerdings viele von ihnen auf Nummer sicher und habilitieren sich parallel.

Bis auf den Nachteil, dass das Modell von Bundesland zu Bundesland anders geregelt ist und daher viele Juniorprofessoren verunsichert sind, sei es eine Chance für die jungen Wissenschaftler, sagt Lars Frormann (38). Er ist Mitglied im Förderverein Juniorprofessur in Clausthal-Zellerfeld und hat bereits einen Ruf an die Fachhochschule Zwickau erhalten. „Das Modell ist eine sehr gute Sache“, betont Frormann. Er selbst würde die Chance, unabhängig lehren und forschen zu können, immer wieder nutzen.

Als das Bundesbildungsministerium 2002 die Juniorprofessur auf den Weg brachte, ging es von 6.000 Stellen aus. Rund 930 Stellen gibt es derzeit an deutschen Hochschulen. Florian Buch, Referent an der Universität Kassel, wirkte an einer bundesweiten Studie zur Juniorprofessur mit und kennt die Kritik am Modell. Aber diese sei nicht berechtigt. Vor allem die Bewerberqualität werde von den Hochschulleitungen als hoch eingeschätzt und zahlreichen Juniorprofessoren sei es bereits gelungen, sich im Wissenschaftsbereich zu etablieren, sagt Buch.

Also gar nicht so schlecht, die Juniorprofessur, vor allem für junge Wissenschaftler. Carola Meier will sie mit all ihren Vorzügen nutzen: um bestens vorbereitet zu sein für eine erfolgreiche berufliche Zukunft.