Der alternative Auslandseinsatz

Wer ein „Freiwilliges Soziales Jahr“ absolviert oder als Kriegsdienstverweigerer den „Anderen Dienst im Ausland“ nutzt, kann ganz schön in der Welt herumkommen: In der Ferne gibt es viel zu tun und ebenso viel zu lernen. Doch die Plätze sind knapp

Wer seinen Zivildienst im Ausland absolvieren möchte („Wehrersatzdienst“), sollte sich zunächst um die Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer kümmern. Dann kann man sich bei einem der privaten Träger um einen Platz in einem internationalen Projekt bewerben. Ein Freiwilliges Soziales oder Ökologisches Jahr (FSJ/FÖJ) im Ausland kann man und frau auch unabhängig vom Zivildienst machen. Mit der Novellierung des FSJ-Gesetzes im Jahr 2002 wurden neue Einsatzbereiche geschaffen. Nunmehr ist es möglich, ein FSJ auch in den Bereichen Kultur, Sport und der Denkmalpflege zu absolvieren. Weitere Informationen finden sich u. a. auf den Webseiten folgender Institutionen: Bundesamt für Zivildienst, www.zivildienst.de; Bundesfamilienministerium, www.bmfsfj.de/Politikbereiche/Freiwilliges-Engagement/fsj-foej.html; Bundesarbeitskreis FSJ, www.pro-fsj.de. Literatur: Jörn Fischer, Oliver Gräf: „Zivi Weltweit – Internationale Alternativen zum Zivildienst“. Verlag interconnections, Freiburg im Breisgau, 2006. OS

VON OLE SCHULZ

„Früher war ich ein eher verschlossener Typ“, sagt Kolja Frisch und lacht. Dann kam der 22-Jährige vor acht Monaten nach Nicaragua, um hier sein „Freiwilliges Soziales Jahr“ (FSJ) abzuleisten. „Das hat mich völlig verändert und ich bin viel offener geworden.“ Für Kolja ist sein Aufenthalt in dem kleinen mittelamerikanischen Land daher wie eine Art persönliche Befreiung. „Hier kann man auf jeden zugehen und ihn ansprechen, auch wenn man ihn nicht kennt. Die Menschen sind sehr herzlich und im Vergleich zu den Deutschen häufig glücklicher, obwohl sie nur wenig besitzen.“

Einblick in die Lebenswelt der Nicaraguaner und ihren schwierigen Alltag hat Kolja dadurch bekommen, dass er in der Kolonialmetropole León als Freiwilliger bei den „Chavaladas“ hilft, einem Rehabilitationsprojekt für drogenabhängige Straßenkinder. Jeden Tag gibt Kolja den Kindern bei den „Chavaladas“ Englischunterricht. Und obwohl die meisten von ihnen auch in der Schule Englisch lernen, sei es „absolutes Basiswissen“, was er zu vermitteln versuche. „Viele der Kinder haben Konzentrationsschwierigkeiten, weil sie lange auf der Straße gelebt und Drogen genommen haben.“ Kolja empfindet es als „Herausforderung und sehr interessante Erfahrung, auf einmal auf der anderen Seite zu stehen“ und zu unterrichten, wo er selbst noch vor kurzem zur Schule gegangen ist.

Mittlerweile ist Kolja in Nicaraguas zweitgrößter Stadt heimisch geworden, und trotz der Hitze trägt er stets lange Hosen und feste Schuhe, so wie es die Leóneser machen. Damit will er sich auch jenen Rucksacktouristen abheben, für die der Trip ins Land der sandinistischen Revolution vor allem eine endlose Party ist. Allerdings wird Kolja mit seinen zu einem Zopf gebundenen blonden Haaren von den „Nicas“ meistens doch sofort als Ausländer erkannt und „Chele“, Weißer, gerufen. Es hat eine Weile gedauert, bis Kolja verstanden hat, dass das keine blöde Anmache ist, sondern eher ein liebevoller Kosename für alle, die eine hellere Haut als die Mehrheit der Einheimischen haben.

Dass Kolja die Chance hat, in jungen Jahren eine neue Kultur und ihre Sprache kennenzulernen, Verantwortung und Lehrtätigkeiten zu übernehmen, hat er den Bestimmungen des Paragrafen 14 des Zivildienstgesetzes zu verdanken. Denn anerkannte Kriegsdienstverweigerer können – über private Trägerorganisationen – einen „Wehrersatzdienst“ im Ausland absolvieren, entweder als „Anderen Dienst im Ausland“ (ADiA) oder in Form eines „Freiwilligen Sozialen oder Ökologischen Jahres“ (FSJ/FÖJ). Allein im vergangenen Jahr nutzten über 1.800 junge Deutsche die Möglichkeit, ihren Zivildienst im Ausland abzuleisten – in nahezu sämtlichen EU-Staaten ebenso wie in exotischeren Ländern wie Nicaragua, Südafrika oder China.

Für junge Frauen gibt es allerdings keine Einsatzmöglichkeiten als Zivis, und dadurch sind die Kosten für die Träger von Freiwilligendiensten höher, so dass es insgesamt weniger Angebote für sie gibt. Ab kommenden Jahr wird es für Schulabgängerinnen, die es in die weite Ferne zieht, aber voraussichtlich etwas leichter werden: Das Bundesentwicklungsministerium will für junge Deutsche einen Freiwilligendienst in Entwicklungsländern einführen. Nach den Plänen von Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) sollen mit Mitteln aus ihrem Ministerium mittelfristig bis zu 10.000 Plätze bei Nichtregierungsorganisationen und privaten Trägern gefördert werden (siehe Text rechts).

Unabhängig vom Geschlecht gilt bisher, dass die Zahl der Bewerber die zur Verfügung stehenden Plätze in der Regel bei weitem übersteigt und Interessierte sich zunächst in dem Angebotsdschungel der anerkannten privaten Träger zurechtfinden müssen. Für Kolja stand von vornherein fest, dass er zu keinem der zahlreichen kirchlichen Träger wollte, „weil man da nicht so leicht reinkommt, wenn man kein Kirchenmitglied ist“. Außerdem hatte Kolja schon ein „Wunschland“ im Kopf: „Ich war auf der Bielefelder Laborschule, die eine Partnerschule in Nicaragua hat, und darum hatte ich schon viel von dem Land gehört.“ Nachdem er sich bei mehreren Trägern beworben hatte, erhielt er von fast allen ein unpersönliches, elektronisches Antwortschreiben. Nur vom Wise e. V., „Weltweite Initiative für soziales Engagement“, bekam er eine freundliche Antwort des Projektleiters. „Da war der persönlich Kontakt sofort da“, und so entschied Kolja sich beim Wise e. V. zu bewerben. Nach einem Auswahlseminar gehörte er schließlich zu denjenigen, die einen Platz für ein FSJ erhielten.

Bevor es losgeht, müssen die Zivis einen Teil der entstehenden Kosten selbst aufbringen – meistens, indem sie Spenden akquirieren. Kolja bekam am Ende 11.000 Euro zusammen, fast doppelt so viel wie die geforderten 6.000 Euro. Damit Kinder aus sozial bessergestellten Familien nicht bevorteilt werden, ist es bei Wise e. V. die Regel, dass man mindestens zehn verschiedene Spender auftreiben muss.