Der HSV sucht eine Spielidee

90 Minuten Anti-Fußball: Um 17:19 Uhr konnte Hamburg trotz einer 0:3-Niederlage den Klassenerhalt feiern

Vermutlich träumte Collin Benjamin vor seinem 100. Bundesligaauftritt von einem ganz anderen Spiel: von Szenen voller Brillanz, von versöhnten Fans, die ihn auf Schultern aus dem Stadion tragen sollten. Doch Benjamin wachte erst auf, als ihm in der 80. Minute der Ball auf die Hand fiel – am äußersten Rand des eigenen Strafraums.

Das Spiel war zu dem Zeitpunkt längst entschieden und den fälligen Elfmeter verwandelte Zvjezdan Misimovič problemlos zum 0:3. Zuvor trafen bereits Theofanis Gekas und Dennis Grote. Der Hamburger Jubilar war stets dabei, statt mittendrin: Das 20. Saisontor von Gekas bestaunte Benjamin aus sicherer Entfernung (61.). Fünf Minuten später umkurvte ihn der Bochumer Oliver Grote wie eine Slalomstange und schloss zum zwischenzeitlichen 0:2. Drei Tore aus dem Nichts. Im Fußballerjargon gibt es dafür Vokabeln wie „eiskalt“ und „abgebrüht“. HSV-Trainer Huub Stevens sprach von „einer Lehrstunde in puncto Effektivität“.

Bochum tat nicht mehr als nötig. Mitunter standen die Westfalen mit zehn Mann vor dem eigenen Tor. Der HSV, so offensiv ausgerichtet wie selten unter Stevens, rannte kopflos an. Die Aktionen endeten meist in kollektivem Kopfschütteln: symptomatisch der Versuch Jarolims, zwölf Meter vor dem gegnerischen Tor einen Mitspieler zu finden, während mehr als 50.000 Zuschauer „Schieß! Schieß!“ schrien. „Wir hätten noch 100 Jahre so weiterspielen können, ein Tor wäre uns nicht gelungen“, sagte Stevens.

Doch weil der HSV trotz der Niederlage die Klasse vorzeitig gehalten hat, huschte schließlich ein Lächeln über die Lippen des Niederländers. Bochums Trainer Marcel Koller lächelte mit, denn sein VfL schielt nun sogar in Richtung UI-Cup. Für Collin Benjamin blieb nichts als ein Jubiläums-Blumenstrauß und die Erkenntnis, dass das „ganz schön Scheiße war“. ANDREAS BOCK