LESERINNENBRIEFE
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Das Elend wird ignoriert

■ betr.: „Das Giftrevier von Grootvlei“, taz vom 27. 5. 11

Eigentlich bin ich froh, dass der Artikel erschienen ist! Vor ziemlich genau einem Jahr war ich in Johannesburg, um im Vorfeld der Fußball-WM eine Architekturreportage über das Soccer City Stadion zu machen.

Vor Ort fiel mir auf, dass fast unmittelbar neben dem Stadion zwei riesige Abraumhalden existieren. Offensichtlich waren sie schon seit Jahrzehnten halbwegs stillgelegt, da eine üppige Vegetation aus niederem Gehölz sich fast bis zur Kippe erstreckte, die ich auf knapp 200 Meter über dem allgemeinen Niveau einschätze. Natürlich wollte ich dort hinauf, um aus etwa 600 Meter Entfernung eine Aufnahme aus einer genialen Vogelperspektive vom Stadion zu machen. Unmittelbar am Sockel der Halde führt eine neue Straße entlang.

Es ist eine Zufahrtstraße zum Stadion, die für die Anlieferung gedacht ist. Direkt neben der Straße war ein zwei Meter hoher Bauzaun, der jedoch nur halbherzig absicherte und alle paar Meter eine bequeme Öffnung für Passanten bot. Hier gelangte man auf einen Trampelpfad, der vielleicht zwei Meter von der Straße entfernt parallel zu ihr verlief. Rechter Hand davon war ein vielleicht 1,5 Meter tiefer und zwei Meter breiter Graben. In ihm floss ein Bach, dessen Gewässer man jedoch nicht ansatzweise als Wasser bezeichnen konnte.

Vielmehr erinnerte die Färbung an ein gebrauchtes Pinselglas eines Malkastens: Blickdichtes leuchtend grünes Liquid alternierte mit etwas in einem kräftigen Braunton, nur um dann von einer türkisblauen Schwade transparenter Flüssigkeit durchzogen zu werden. Garniert war das Ganze mit kleineren Schaumschlieren.

Erschreckt habe ich schon damals die unmittelbare Nähe von Weltgeschehen und Umweltkatastrophe gesehen. Die Welt blickt auf Soccer City und ignoriert das Elend daneben. Klammheimlich habe ich mich zudem gefragt, ob diese Umweltgifte nicht auch als Aerosol während der Spiele zu den abertausend Teilnehmern und Zuschauern übertragen werden können. Beziehungsweise inwieweit dort alles komplett kontaminiert ist. Nun weiß ich, dass mein Gefühl mich nicht trog. ROBERT MEHL, Aachen

Atomprotest nur Geschwafel

■ betr.: „Atomkraft? Wuff wuff!“, taz vom 30. 5. 11

Wenn ich damals in VWL richtig aufgepasst habe, dann müsste Atomstrom heute spottbillig sein. Wenn so viele Leute ernsthaft und konsequent gegen Atomstrom argumentieren, müsste doch die Nachfrage sinken, was nach den Gesetzen des Marktes eine Preissenkung zur Folge hätte. Leider ist der Strom immer noch genauso teuer wie sonst. Was ist hier los? Ist der öffentliche Atomprotest nur Geschwafel? SASCHA PIHAN, Ökostrombezieher, Mainz

Andere gehen durchs Feuer

■ betr. „Der Konsenskriegsminister“, taz vom 28. 5. 11

So, so, auch der Herr Trittin will junge Deutsche nach Afghanistan und in alle anderen Krisengebiete schicken. Ebenso wie die ach so frommen Christen-Parteien, deren liberaler Wurmfortsatz und die ehemals friedliebende SPD. Kaum ist jemand über die einstelligen Wahlergebnisse gekrochen, schon will er Weltpolitik treiben. Diese Politiker müssen sich ja nicht fürchten. Sie sitzen ganz gemütlich zu Hause und lassen andere durchs Feuer gehen.

GÜNTER RAMDOHR, Leutenbach

Ein wichtiger Beitrag zum Vatertag

■ betr.: „Mein Vater der Trinker“, sonntaz vom 29. 5. 11

Der Artikel von Janina Sperling hat mich sehr berührt, viele Beschreibungen decken sich eins zu eins mit dem, was ich als Kind eines Alkoholikers erlebt habe: die ständige Angst, dass irgendwann etwas Schlimmes passiert; Trauer und Wut, dass man hilflos zusehen muss, wie der Vater sich zugrunde richtet; die Mutter, die in der Wirtschaft anruft, um dem Wirt zu verbieten, ihrem Mann weiter Bier auszuschenken, und damit vergeblich versucht, dessen Alkoholkonsum zu kontrollieren.

Welch tief greifende Auswirkungen die Familienkrankheit Alkoholismus auf die Kinder hat, zeigt sich auch noch im Erwachsenenalter: So fällt es erwachsenen Kindern alkoholkranker Eltern häufig schwer, ihre Gefühle zu identifizieren und ihnen zu vertrauen, da ihnen als Kind vorgegaukelt wurde, dass doch alles in Ordnung sei und man selber mit seinem Gefühl, dass etwas nicht stimme, völlig falsch liege (die Fassade stimmte ja auch). Die eigenen Bedürfnisse stehen meist hinter denen der anderen, man hat ja bereits als Kind gelernt, dass man möglichst nicht auffällt und keine Wünsche anmeldet, um nicht zur Last zu fallen. Das Problem direkt anzusprechen, ist sowieso tabu („nichts hören, nichts sehen, nichts sagen“). Man passt sich an, fühlt sich für das Wohl anderer verantwortlich, hat wahrscheinlich ein geringes Selbstbewusstsein und entwickelt ein feines Gespür für die Gefühlsschwankungen anderer. Obwohl man als Erwachsene/-r irgendwann sein eigenes Leben führt und sich mit diesem Thema nicht mehr befassen möchte, holt es einen doch immer wieder ein: Es tut immer noch weh, die Eltern zu besuchen, und man versucht, mit den Folgen des Erlebten zurechtzukommen.

Erschreckend ist der Umgang der Gesellschaft mit diesem Thema. „Ein Feierabendbier ist doch normal“, und auch sonst finden sich viele Anlässe, um zu trinken. Im Gegensatz zu anderen Drogen ist Alkohol legal und selbst für junge Menschen an jeder Ecke zu haben. Über die Problematik wird selten gesprochen. Umso wichtiger finde ich diesen Beitrag in der sonntaz zum Thema Vatertag.

CORNELIA BRANDL, Augsburg