nebensachen aus ouagadougou
: Handy am Steuer und Papiere weg – Gruß aus dem Land der integren Menschen

Ich hätte es ahnen müssen und war trotzdem überrascht. Der Polizist fragte mich, ob ich wüsste, warum er mich anhalte. Ich sagte, wohl wegen meiner nigerianischen Kennzeichen, das alte Spiel. Nigerianer haben in Westafrika den gleichen dubiosen Ruf wie anderswo in der Welt und sind immer gut für eine Kontrolle. Der Polizist antwortete leicht beleidigt: „Wegen des Handytelefonierens beim Fahren“. In Burkina Faso werde während des Fahrens nicht mit dem Handy telefoniert, erklärte er mir. So jedenfalls die Theorie über die Sicherheit am Steuer im Sahelland.

In der Praxis telefonieren jedoch Hunderte täglich beim Fahren durch die burkinische Hauptstadt Ouagadougou, und „hey, sehen Sie, der jetzt eben doch auch“, wandte ich ein. Aber der Polizist ließ nicht mit sich reden. Es gibt zwei Arten in Afrika, mit Polizisten, Gendarmen oder gar Soldaten zu reden. Man kann sich flehend oder befehlend verhalten. Handelt es sich um einen hoch- oder niederrangigen Bewaffneten? Den Kleinen muss man anflehen; dem Wichtigen kann man sagen, was er zu tun hat. Denn der vermutet dann, dass man wohl einen richtig Großen kennt, der ihm dann Ärger machen kann. Der Kleine glaubt nicht an ein solches Fiasko.

Noch immer beharrte der Polizist auf meinen Autopapieren. Für diesen Fall hat jeder gewiefte Autofahrer in Westafrika nur Kopien dabei. Zusammen mit der guten Ausrede, dass die Originale zu leicht geklaut werden könnten. Ich aber gab ihm natürlich die Originale. Jedenfalls entschied ich mich für die Kniefall-Strategie: „Pardon, pardon, pardon monsieur!“ Ein Passant zischte „Gib ihm was“. Aber wir sind in Burkina Faso, was übersetzt heißt, „das Land der integren Menschen“. Und als Journalist gibt man sowieso nichts.

Trotz aller Pardons verschwand der Polizist mit meinen Papieren. Vielleicht hätte ich nicht sagen sollen, dass ich Journalist bin. Auch das hängt von der Situation ab. Denn beim Wort Journalist kann es dann sehr förmlich werden: Da will keiner das Gesicht verlieren. Ich schaute meinen Papieren hinterher. Wohl der Beginn eines langen Marschs durch die Institutionen. Als Kind mochte ich zwar schon immer Schnitzeljagden im Wald. Aber jetzt sind andere Wälder um mich herum. Jemand sagte mal, in Afrika herrsche häufig „atomisierte Bürokratie“. Man weiß bei Behörden hier nie, wohin man muss und wer für einen wirklich zuständig ist und wer nur so tut. Gerade war es noch das Hundertstel, und nun ist es das Tausendstel. Zuständigkeiten sieht man in westafrikanischen Behörden gerne als dynamisch. Eine Zermürbungstaktik, damit man am Ende beim Chef nur noch dankbar für jede Lösung ist.

All dies wollte ich vermeiden. Schlage sie mit ihren eigenen Waffen! Also begann ich ein unverbindliches Gespräch mit einem anderen Polizisten. Dann erzählte ich vom meinem kleinen Malheur. „Was für ein Bandit“, sagte mein neuer Freund und Helfer, „wegen Handytelefonierens am Steuer die Papiere einkassiert.“ Und es wäre nicht einmal mit einem Obulus getan. Dieses Bußgeld würde umgerechnet fast 40 Euro kosten – ein monatliches Einstiegsgehalt.

Der gute Polizist machte sich auf, den Banditen zu finden. Ich brauchte nicht einmal mitzukommen, sollte nur warten. In Afrika tut man gut daran, einen älteren Bruder oder Onkel zu haben oder sich einen zu suchen. So bekam ich zu meinen Papieren auch einen Onkel in Burkina Faso dazu. HAKEEM JIMO