Wie bei Weizsäcker

Führende CSU-Politiker drohen, eine Wiederwahl von Bundespräsident Horst Köhler zu blockieren, sollte dessen Entscheidung über die Begnadigung des inhaftierten RAF-Terroristen Christian Klar positiv ausfallen. Vor der Landtagsfraktion habe CSU-Generalsekretär Markus Söder vergangene Woche eine Begnadigung Klars als „schwere Hypothek“ für die Wiederwahl bezeichnet, berichtete der Spiegel.

Kanzlerin Angela Merkel hat dagegen das Staatsoberhaupt gegen Kritik aus den eigenen Reihen in Schutz genommen. Über ihren Regierungssprecher Thomas Steg ließ die CDU-Vorsitzende den Satz verbreiten: „Ich habe keinen Zweifel, dass der Bundespräsident diese schwierige und umstrittene Frage nach sorgfältiger Prüfung mit großer Gewissenhaftigkeit treffen wird.“ Die Kanzlerin rief dazu auf, das Votum Köhlers unabhängig vom Ausgang zu respektieren.

Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber kritisierte zuvor „die öffentliche Bekanntgabe eines Treffens mit dem Terroristen Klar genauso wie die wochenlangen Spekulationen über seine mögliche Begnadigung und die grundsätzliche Umwälzung der Täter-Opfer-Rolle in dieser RAF-Diskussion“. Bayerns Innenminister Günther Beckstein sagte, es würde „von dem großen Umfeld, das ich so kenne, als völlig unverständlich angesehen, wenn Klar begnadigt würde“.

Auslöser der Debatte war das Bekanntwerden eines persönlichen Gesprächs zwischen Köhler und Klar. Der Spiegel hatte berichtet, Köhler habe sich als letzte Station bei der Prüfung des Gnadengesuchs von Klar am vergangenen Freitag in Süddeutschland mit dem RAF-Häftling getroffen. Zudem erklärte Köhlers Sprecher am Samstag, der Bundespräsident wolle seine Entscheidung über das Gnadengesuch Klars diese Woche bekanntgeben.

Kritik an Köhler äußerten auch Politiker von CDU und FDP. Neben Unionsfraktionschef Volker Kauder warnte FDP-Chef Guido Westerwelle davor, dem Gnadengesuch Klars stattzugeben. Er sei „strikt gegen die Begnadigung des Serienmörders Christian Klar“. Teile der SPD und der Grünen wiesen die Kritik an Köhler hingegen entschieden zurück. Grünen-Fraktionsgeschäftsführer Volker Beck bezeichnete es gegenüber der taz als „ungeheuren politischen Vorgang, dass man versucht, das Verfassungsorgan Bundespräsident zu nötigen, indem man ihm mit Nichtwiederwahl droht“. Auch der Vorsitzende des Innenausschusses im Bundestag, Sebastian Edathy (SPD), reagierte mit Unverständnis auf die Kritik der CSU-Politiker. „Ich halte es für falsch, dem Bundespräsidenten vorschreiben zu wollen, wie er das allein ihm zustehende Gnadenrecht ausübt“, sagte er der taz.

Die scharfen Töne der Christsozialen dürften Köhler indes nicht unerwartet getroffen haben. Auch sein Vorgänger Richard von Weizsäcker (CDU) sah sich CSU-Attacken ausgesetzt, als er sich 1988 mit den Gnadengesuchen der RAF-Terroristen Angelika Speitel und Peter-Jürgen Boock auseinandersetzte. Speitel und Boock waren zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Auch damals suchte der Bundespräsident das persönliche Gespräch mit den beiden Terroristen – ohne dass die Treffen jedoch öffentlich bekannt wurden. Liberale Äußerungen Weizsäckers reichten aus für Gedankenspiele innerhalb der CSU, dem Bundespräsidenten bei seiner anstehenden Wiederwahl 1989 einen Denkzettel zu verpassen. Doch es kam anders: Weizsäcker wurde mit 85 Prozent im Amt bestätigt und begnadigte anschließend die beiden RAF-Häftlinge Angelika Speitel und Verena Becker.

VEIT MEDICK