OFF-KINO: Filme aus dem Archiv – frisch gesichtet
Keine Indianer, keine Viehtrecks, keine weiten Landschaften: Der Stadtwestern ist ein Sonderfall des Genres, stärker als andere Western eher Moral- und Charakterdrama als eine sinnstiftende Glorifizierung von Pioniertaten. Das ist auch in Howard Hawks’ „Rio Bravo“ (1959) nicht anders: Es geht um große Freundschaften und Bewährungsproben, die ein ganzes Leben verändern können, um Profis, die tun, was getan werden muss, und – komödiantisch eingefärbt – um die sehr zurückhaltende Beziehung eines leicht verklemmten Sheriffs zu den Frauen. Der überlebensgroße John Wayne ist als Sheriff John T. Chance natürlich ideal besetzt: Keiner war so sehr mythischer Held und wirkte dabei doch völlig geerdet. Die Geschichte von „Rio Bravo“ geht der Legende nach auf Hawks’ Ärger über Fred Zinnemanns Westernklassiker „High Noon“ (1952) zurück. Besonders albern fand Hawks, dass der Sheriff in „High Noon“ erst die Bürger eines Städtchens immer wieder vergeblich um Hilfe gegen eine Gruppe rachsüchtiger Banditen bittet – um am Ende dann doch allein mit ihnen fertig zu werden. Hawks’ ironische Antwort ist ein Film, in dem er dem Sheriff bei der Verteidigung des Gefängnisses gegen angreifende Halunken einen Säufer, einen Krüppel und ein Greenhorn als Gehilfen zur Seite stellt. (8. 6., Arsenal 1)
Wie unterschiedlich sich der Spionagefilm in den 1960er Jahren gestaltete, lässt sich zur Zeit im Zeughauskino betrachten. Martin Ritts düstere John-le-Carré-Verfilmung „The Spy Who Came in From the Cold“ (1965) ist zweifellos eines der Meisterwerke des Genres: Kein anderer Agentenfilm macht das schmutzige Geschäft der Spionage und die Desillusionierung der Akteure so greifbar. Ein krasses Gegenbeispiel ist „Comando de asesinos“ (1966), dessen deutscher Titel „Sechs Pistolen jagen Professor Z“ bereits eine saubere Zusammenfassung der gesamten Handlung bietet: sinnfrei, bunt und nicht wirklich ernst gemeint. „For Eyes Only“ (1963) gilt als Klassiker des Defa-Spionagefilms, tatsächlich aber ist man dann doch überrascht über die ungeheuer plumpe Propaganda des Films: Dass der Held am Ende die angeblichen Aufmarschpläne der Amerikaner für einen Krieg gegen die DDR stiehlt, mag man im Kontext des Genres noch akzeptieren, die Zeichnung der US-Agenten als liederliche Säufer und Frauenhelden im Kontrast zum gewissermaßen „volksgesunden“ DDR-Spion erinnert aber fatal an ähnlich geartete Propaganda der Naziära.
Doch es ging im Ostblock auch anders: Das spannende ungarische Drama „Fotó Háber“ (1963) von Zoltán Várkonyi setzt auf ausgefeilte Charaktere und macht in seiner Geschichte um einen in einen Spionagering eingeschleusten „Maulwurf“ deutlich, wie sehr die Agenten unter dem Stress leiden, in einer Welt zu leben, in der jeder jedem misstraut und man sich mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln gegenseitig bespitzelt. (The Spy Who Came in From the Cold (OF) 3. 6., Comando de asesinos (Om engl. U) 2. 6., 5. 6, 7. 6.; For Eyes Only 3. 6.; Fotó Háber (OmU) 5. 6. Zeughauskino)
LARS PENNING
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