Osterholz spielt auf

Musiker, Tänzer und Quartiers-Künstler basteln an einem „kulturellen Kraftzentrum“ für den Bremer Osten. Mittendrin: Die Gesamtschule Ost, seit kurzem Sitz der Deutschen Kammerphilharmonie

VON ARMIN SIMON

Manch einer malte schon das Ende des Stadtteils herbei. Das Image desaströs, das Klinikum bedroht, die Jugend flüchtend. Osterholz, würden Soziologen sagen, sei ein sozial schwieriges Umfeld. Und die Gesamtschule Ost (GSO) sitzt mitten drin.

Inzwischen aber überhäufen sich Bildungssenator, MusikerInnen und Schulleitung gegenseitig mit Glückwünschen. Zur „ersten Adresse hier im Zentrum von Osterholz“ sei die GSO geworden, lobt Willi Lemke (SPD). „Sowas hat es in ganz Deutschland noch nicht gegeben“, schwärmt Schulleiter Franz Jentschke. „Da entstehen Chancen, die Leben von Menschen verändern können“, sagt Albert Schmitt, Geschäftsführer der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen. Das weltberühmte Orchester, demokratisch geführt, hat nicht nur eine Partnerschaft mit der Schule am Laufen. Es ist ihr vor kurzem sogar unters Dach gezogen. Gemeinsam mit dem Stadtteil-Kultur-Projekt Quartier e. V. und der Tanztheater-Schule de Loopers wollen die MusikerInnen die Schule zu einem „kulturellen Kraftzentrum für Stadtentwicklung“ in Osterholz entwickeln.

„Es gibt Situationen, in denen man kein Plenum fragen kann“, sagt Jentschke. Die durchaus kontrovers geführten Verhandlungen zwischen Bildungsbehörde und Schulleitung um die künftige Raumnutzung und größe des Schulgebäudes vor zweieinhalb Jahren zählten dazu. Plötzlich fiel der Name Deutsche Kammerphilharmonie. Und Jentschke sollte sagen, ob er für deren Ansiedlung an der GSO auch die schon zugesagte Aula aufgeben würde.

Jentschke gab sie auf – und gewann. Nicht nur das weltberühmte Orchester, das seit April in seiner Schule probt, Tür an Tür mit den SchülerInnen. Sondern auch einen Konzertsaal mit Spitzenakustik, „besser als die Glocke“, wie Schmitt versichert. Eine Aula bekam die Schule trotzdem.

An hochfliegenden Plänen mangelt es nicht. Schon heute kann die GSO in jedem Jahrgang eine Musikklasse und drei Orchester vorweisen, das Tanzprojekt „Dance4life“, vergangenes Jahr zu Live-Musik der Kammerphilharmonie mit 200 SchülerInnen zur Aufführung gebracht, erregte bundesweit Aufmerksamkeit. Schon im Herbst ist eine Neuauflage geplant, diesmal sogar Schul- und Stadtteil-übergreifend zusammen mit der Gesamtschule West und dem Kippenberg-Gymnasium. Die Kammerphilharmonie, sagt Schmitt heute, wolle „zeigen, dass Osterholz attraktiv ist“ und „die Akzeptanz des Stadtteils erhöhen“. Zusammen mit Radio Bremen denkt man über eine eigene Konzertreihe im neuen Konzertsaal in der GSO nach.

Dabei hielt sich die Euphorie der Profi-MusikerInnen anfangs durchaus in Grenzen. „Da war keiner dabei, der Hurra geschrieben hat“, erinnert sich Schmitt an seine erste Visite in Bremen-Osterholz. Ein Probenort weitab vom Zentrum? In einem 70er-Jahre-Gesamtschulbau? In Bremen-Osterholz? „Äußerlich hat uns das nicht inspiriert“, sagt Schmitt. Die gute Akustik ließ die Bedenken schließlich schwinden.

Einen Wermutstropfen allerdings kann Jentschke dann doch finden. Der Konzert- und Probensaal für die MusikerInnen nämlich entstand in den ehemaligen Räumen der Osterholzer Stadtteilbibliothek. Die musste einen Großteil ihrer Bücher an die neue Zentralbibliothek abgeben. Jentschke hält nicht viel von derlei Kultur-Zentralismus. „Das ist das Gegenteil von dem, was wir brauchen“, sagt er.