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: Ein Wesir vor großer Reise

Wenn sich Russland strikt weigert, trotz gegensätzlicher Versprechen 1945 aus Berlin verschleppte Schätze aus dem Berliner Museum für Vor- und Frühgeschichte an Deutschland zurückzugeben, mag man das als Affront gegen die Völkerfreundschaft und Verstoß gegen die Haager Landkriegsordnung sehen. Ähnlich kulturimperialistisch verhalten sich zur Zeit Kulturstaatsminister Neumann (CDU) und der Kulturausschuss des Bundestages, wenn sie unter recht fadenscheinigen Gründen Ägypten die Ausleihe der Nofretete-Büste aus „konservatorischen Gründen“ verweigern.

KOMMENTAR VON KAI SCHÖNEBERG

Dass auch die vor 4.500 Jahren geschaffene Statue Hem-Iunus, Standort Hildesheim, ins Visier der Ägyptischen Antikenverwaltung gekommen ist, zeigt ihren hohen kulturhistorischen Wert.

Mag der Architekt und Wesir aus der Pharaonen-Zeit – anders als Nofretete – auch per Los und also rechtmäßig nach Deutschland gelangt sein. Aber hier geht es weniger um juristische Fragen als schlicht um Völkerverständigung. Die Hildesheimer Museumsexperten dürfen sich nicht dem Druck aus Berlin beugen. Sie sollten auf die Reise gen Ägypten bestehen, wenn die Rückkehr garantiert ist. Die Ägypter haben ein ideelles Recht auf ihre Kulturgüter – wenn auch nur als Leihgabe. Hem-Iunu kann in Nahost zum Botschafter eines offenen, zum Dialog bereiten Abendlandes werden.