Die Räuber trugen Glatzen

Vier mutmaßliche Neonazis müssen sich vor dem Landgericht verantworten. Sie hatten einen 29-Jährigen schwer verletzt, ausgeraubt und sollen rechte Parolen gerufen haben

Wegen schweren Raubes, Körperverletzung und Skandierens von rechtsradikalen Parolen müssen sich seit Dienstag vier mutmaßliche Neonazis vor dem Berliner Landgericht verantworten. Die 21- bis 28-jährigen Männer sind angeklagt, Ende 2006 einen 29-Jährigen nach einem Streit in der S-Bahn in einem Park in Buch misshandelt und beraubt zu haben. Der arbeitslose Landschaftsgärtner soll durch Schläge und Tritte gegen den Kopf Verletzungen erlitten haben.

Am frühen Montagabend des 18. Dezember wollte Sven K. mit seinem Bruder ein Metal-Konzert in der Max-Schmeling-Halle besuchen. Doch die Veranstaltung wurde abgesagt. Anschließend setzte sich der alkoholisierte Sven K. in die falsche S-Bahn: Statt zur Ringbahn fuhr er nach Buch. Am S-Bahnhof Pankow stiegen vier glatzköpfige Männer mit Bomberjacken in den Wagen, in dem Sven K. saß. Für den damals 28-Jährigen endete die Nacht auf der Intensivstation.

Die Hinzukommenden, die sich nur beim Spitznamen kannten, trugen einen Gettoblaster bei sich, aus dem die Musik der rechten Band 0815 ertönte. Sven K. fand nach Aussagen der vier ihre Musik gut und bat um ein Bier, das sie ihm auch gaben. Irgendwann aber begann sie der Mann zu nerven. Einer der Angeklagten meinte, er wäre ihm immer so nahe gekommen, das möge er nicht. Weil er das mitreisende Quartett störte, habe Patrice K., genannt Glasauge, zu seinen Kumpanen gesagt: „Wir gehen mit dem in eine dunkle Ecke. Dann machen wir Bum-bum und nehmen den Rucksack“, erinnert sich Christian S. alias Brille. Gemeinsam stiegen die fünf in Buch aus und misshandelten Sven K unweit des S-Bahnhofs. Alle vier gestehen ihre Tritte sowie den Raub von Rucksack und Portemonnaie – Dinge, die die rasch alarmierte Polizei 50 Meter vom Tatort entfernt bei Glasauge fand. Ihr Handeln erklären sie mit Gruppenzwang, Alkohol und Dummheit. Nur „Heil Hitler“ soll nicht gerufen worden sein – die Parolen, an die sich Sven K. erinnert, müssen aus dem Rekorder gekommen sein, sagt Glasauge. Ein anderer Angeklagter beschuldigt dagegen Glasauge und Brille.

Sven K. wurde gegen den Kopf, den Oberkörper und ins Gesicht getreten. „Wir haben gedacht, der ist schon tot, so wie der dagelegen hat“, sagt Andreas L. Das Opfer erlitt in der Schädelhöhle ein Blutgerinnsel, das jedoch mit medikamentöser Behandlung verschwand. Spätfolgen spürt der arbeitslose Landschaftsgärtner nicht, nur Zahlen könne er sich nicht mehr so gut merken wie früher. An den Tathergang kann er sich nur noch schwach erinnern: Die Musik aus dem Rekorder sei von der Gruppe Landser gewesen, meint er. Ein Verteidiger will wissen, woher er die Musik der verbotenen Musikgruppe kenne. „Von der politischen Aufklärung beim Bund“, antwortet der Zeuge, der sich selbst ebenfalls als politisch rechts orientiert beschreibt.

Drei der vier Täter sind vorbestraft, zwei, Andreas L. und Glasauge Patrice K., sitzen zurzeit in Untersuchungshaft. Zum Prozessauftakt kritisierten die Verteidiger insbesondere die polizeilichen Vernehmungsmethoden: Alle vier Angeklagten fühlten sich von den Beamten erpresst und hätten nach ihrer mehrstündigen Befragung alles unterschrieben, nur um ihre Ruhe zu haben. Der inhaftierte Patrice K: „Sie sagten zu mir, wenn ich das aussage, was die anderen aussagen, kann ich nach Hause gehen.“ Am Donnerstag wird der Prozess fortgesetzt.

UTA FALCK