Land spendiert Emissionshandel

Damit Betreiber alter Heizkessel endlich in sparsamere Anlagen investieren, steigt die NRW-Energieagentur in den Emissionshandel ein. In fünf Jahren sollen 250.000 Tonnen Kohlendioxid durch das Projekt eingespart werden

VON MORITZ SCHRÖDER

In Kellern von Kliniken und Industrieunternehmen brummen sie seit Jahrzehnten vor sich hin: Heizkessel, ohne die vieles nicht funktionieren würde. Unter anderem aus Öl und Gas erzeugen sie Dämpfe, die teilweise bis zu 120 Grad heiß sind. Damit werden in der Metallindustrie Bäder erhitzt, um Schrauben einen Metallmantel zu verpassen. In Krankenhäusern wird die Wärme in der Küche oder für die Sterilisation verwendet. Auf der Monatsrechnung hinterlassen sie häufig einen schlechten Eindruck. Gerade in Nordrhein-Westfalen gehören viele der Kessel zum alten Eisen, sind also 20 Jahre und älter. Helwig Falk von der Energieagentur NRW möchte das ändern.

„Gerade in NRW könnte viel Energie gespart werden, würden die Kessel erneuert“, sagt er. Viele Betreiber sträuben sich aber noch dagegen. Die Kosten für größere Betriebe können im hunderttausend-Euro-Bereich liegen. Wozu also der Aufwand, wenn die Anlage noch läuft? „Weil unnötig viel klimaschädliches Kohlendioxid (CO2) entsteht“, sagt Energiefachmann Falk. Sein überzeugendstes Argument ist derzeit aber noch in der Entwicklung. Bald soll sich die Umstellung auf effizientere Heizkessel auch lohnen.

In einem deutschlandweit einmaligen Projekt will die Energieagentur Emissionszertifikate der Bundesregierung beantragen. Dieses Verfahren ist schon im Kyoto-Protokoll der Vereinten Nationen beschrieben und nennt sich „joint implementation“ (JI). Für jede Tonne eingespartes Kohlendioxid würden die teilnehmenden Unternehmen ein Zertifikat erhalten. Und das ist bares Geld wert. Ab 2008, wenn der Handel mit den JI-Papieren beginnt, soll das Papier nach bisheriger Schätzung 20 Euro kosten. Die NRW-Energieagentur verhandelt derzeit mit möglichen KäuferInnen der Zertifikate und peilt einen zweistelligen Mindestpreis pro Emissions-Aktie an. Für Industriefirmen dürfte das ein Investitionsanreiz sein. Mit einem effizienteren Kessel, etwa beim Umstieg vom Brennstoff Kohle auf Gas, könnten sie bis zu 300 Tonnen CO2 pro Jahr einsparen. Das macht bei einem Mindestpreis von zehn Euro pro Papier 3.000 Euro Handelspreis.

Insgesamt erwartet die Energieagentur bei einer Projektlaufzeit von fünf Jahren und im Schnitt 500 umgestellten Anlagen pro Jahr 250.000 Tonnen Spareffekt und damit mindestens 2,5 Millionen Euro, mindestens. Laut der bisherigen Marktprognose lägen die Preise pro Zertifikat doppelt so hoch, und damit auch der Gewinn. „Wir hatten bisher aber nur wenig Resonanz von möglichen Käufern“, sagt Falk. Derzeit werde etwa mit Börsenunternehmen oder Stadtwerken verhandelt. Selbst für die dürfte sich der Kauf aber lohnen.

Denn der Handel mit Emissionszertifikaten soll nach Meinung vieler ExpertInnen ab kommendem Jahr einen neuen Schub bekommen. Für die nächste Handelsperiode von 2008 bis 2012 erhält Deutschland von der Europäischen Kommission nur noch Zertifikate für 435 Millionen Tonnen Kohlendioxid, 57 Millionen weniger als in der ersten Handelsperiode bis Ende diesen Jahres. Damit erhöht sich der Marktpreis und der Handel mit den Papieren wird finanziell interessanter. Energiekonzerne wie der Essener RWE machen laut Energieagentur schon heute Gewinne im Emissionshandel.

Die ersten Anträge können wahrscheinlich ab Anfang Juni gestellt werden. Bedingungen, um teilzunehmen: Die Anlage muss in NRW stehen und mindestens eine Million Kilowattstunden im Jahr erzeugen. Für PrivatverbraucherInnen macht das Projekt keinen Sinn. Sie könnten mit ihren kleinen Heizkesseln im Jahr nur Gewinne im zweistelligen Bereich rausholen. Außerdem dürfen die TeilnehmerInnen nicht am bereits bestehenden Emissionshandel der Europäischen Union teilnehmen. Denn dadurch erhalten sie schon heute eine gewisse Anzahl an Zertifikaten und können damit handeln, wenn sie besonders sparsam arbeiten.

UmweltschützerInnen sind jedoch wenig euphorisch über die möglichen Erfolge des NRW-Projekts, das vom Landeswirtschaftsministerium mit einem geringen sechsstelligen Betrag gefördert wird. „Grundsätzlich ist es positiv, wenn so Emissionen eingespart werden“, sagt Dirk Jansen, Sprecher des Bundes für Umwelt und Naturschutz in NRW. 250.000 Tonnen Spareffekt seien aber „ein Tropfen auf dem heißen Stein, gemessen an Millionen Tonnen ausgestoßenem CO2 eines einzelnen Kohlekraftwerks“. Lieber solle die Landesregierung ihren Fördertopf für Energiesparen und Erneuerbare Energien aufstocken. Der wurde beim Übergang auf die schwarz-gelbe Landesregierung laut der grünen Landtagsfraktion um rund 60 Prozent zusammengekürzt. Und selbst Falk von der Energieagentur gesteht ein: „RWE würde die Kosten für die Zertifikate in unserem Projekt aus der Portokasse bezahlen.“