WEDDING EBEN
: Unsere Baumscheibe

Der erste Versuch der Begrünung fand im Herbst statt

Was es genau ist, das mich von dem Spießer in weißem Feinripp unterscheidet, der seine Umwelt mit Argusaugen und Blockwartmentalität aus seinem Fenster heraus beobachtet und ansonsten seinen Kleingarten pflegt? Ich weiß es nicht.

Zwar ist mein Feinripp schwarz. Aber in der letzten Zeit ertappe ich mich immer öfter dabei, wie ich mich aus meinem Fenster lehne, um unsere Baumscheibe zu inspizieren. Unsere Baumscheibe!

Ich weiß nicht, wann mich der morgendliche Anblick von riesigen Hundekothaufen auf dem räudigen Erdstück, in dem die Schwedische Mehlbeere vor unserem Haus wächst, so sehr gestört hat, dass er mich tatsächlich zu Taten angeregt hat. Es ist mir nicht angenehm, darüber zu sprechen, aber so eine kleine Beichte hat doch etwas für sich.

Der erste Versuch der Begrünung unserer Baumscheibe fand im letzten Herbst statt. Wir sammelten Samen von, so hofften wir, Pflanzen, die Hunden und ihren Herrchen und Frauchen Schmerzen bereiten. Also: Disteln, Kletten. So Zeug. Ob es Pflanzen gibt, die einen für Hunde unerträglichen Geruch absondern, haben wir bisher leider nicht rausfinden können.

Leider sah unsere Baumscheibe im Frühling genauso räudig aus, wie immer. Härtere Maßnahmen waren gefragt. Also: Erde auftragen, durchpflügen, Rasen säen, ein paar Stauden aus dem Prinzessinnengarten holen. Wiesensalbei und irgendein Schmetterlingsblütler. Ein Zaun ist uns (noch) dann doch zu spießig. Also ein Schild aus einem Rest Holz rein. Schön bemalt mit einem Hund, der gequält schaut: „Frisch gesät!“

Eine Woche hielt das Schild durch, vor unserem Weddinger Domizil. Nach der ersten Samstagnacht war’s weg. Das ist jetzt drei Wochen her. Jede Woche bemale ich ein neues Schild. Jede Woche klaut es wer. Und so schaue ich aus dem Fenster. Und warte. KIRSTEN REINHARDT