Mit dem nötigen Quäntchen Selbstironie

DEUTSCHPUNK Was als große Punkrevue erwartet wurde, entpuppte sich als Promotionmaßnahme für sein demnächst erscheinendes Buch: Olli Schulz und die Geschichte des Deutschpunk in der Volksbühne

Im Publikum waren weniger die Veteranen, sondern vor allem junge Turbostaat-Fans, die die Hits der Band aus Flensburg mitsingen konnten

VON ANDREAS HARTMANN

Was Deutschpunk genau war oder ist, das lässt sich nur schwer definieren. Im Allgemeinen gilt: Deutschpunk ist schlichtweg Punkrock mit deutschen Texten, und fertig. Für manche Experten jedoch ist Deutschpunk ein abgeschlossenes Genre, das mit Slime und Konsorten seinen Höhepunkt Anfang der Achtziger erlebte und danach bloß noch als riesengroßer Stumpfsinn fortexistierte und von den Toten Hosen verraten wurde.

Andere dagegen halten gerade diesen Stumpfsinn hoch und erzählen sich noch heute mit wässrigen Augen die besten Sauf-und-Kotz-Anekdoten der legendären Deutschpunk-Band Hammerhead um ihren Sänger Tobias Scheiße, die in den Neunzigern eine Renaissance des Deutschpunk anführte.

Der seit Kurzem in Berlin lebende Musiker und Moderator Olli Schulz lud nun zur großen Deutschpunk-Revue in die Volksbühne, begab sich „auf die Suche nach dem Herzen der Republik“ und hatte für jeden der diversen Typen von Deutschpunk-Befürwortern etwas mit im Gepäck. Eine Zeitreise zurück „zu den glorreichen Tagen von Vollidioten und Helden einer fast vergessenen Epoche“ bot er ebenso wie einen Auftritt der Flensburger Band Turbostaat. Die ist derzeit eine der erfolgreichsten Deutschpunk-Bands und erinnert musikalisch an die deutschen Branchenführer des räudigen Rocks, an die Beatsteaks.

Olli Schulz versuchte also, einen Spagat hinzubekommen. Einerseits betrachtete er Deutschpunk als eine Art Kulturgut, das es jetzt sogar zur Reife einer Theaterrevue gebracht hat, andererseits als irgendwie doch noch lebendiges Genre, das ein junges Publikum zieht. Denn im Publikum waren weniger die Veteranen, die noch die goldenen Achtziger oder auch nur die silbernen Frühneunziger miterlebt haben, sondern vor allem junge Turbostaat-Fans, die die Hits der Band aus Flensburg mitsingen konnten.

Schulz selbst ist ja auch nur durch die Epigonen des klassischen Deutschpunk musiksozialisiert wurden. Er ist Jahrgang 1978, somit ist er zu jung, um etwa die Streitereien zwischen den Toten Hosen und den Goldenen Zitronen Ende der Achtziger mitbekommen zu haben. Da ging es darum, ob Deutschpunk längst zu einer eher abzulehnende Mitgrölmusik für Fußballstadien geworden oder auf ewig links codierte Partymusik ist. Damit man trotzdem etwas authentisch aus erster Hand über die wilden Achtziger erfuhr, wurde Bela B. von den Ärzten als Überraschungsgast geholt. Die richtig tollen Anekdoten packte der aber leider auch nicht aus. Die ganze Veranstaltung entpuppte sich sowieso leider zu sehr als vorweggenommene Promotionmaßnahme für das autobiografisch gefärbte Buch, an dem Schulz gerade schreibt und das wahrscheinlich ein wenig so funktionieren wird wie Rocko Schamonis „Dorfpunks“.

Statt auf einem wilden Ritt durch verrückte Zeiten sah man sich also bald eher in einer Lesebühnenveranstaltung wieder. Durch die Schulz freilich mit mitreißendem Charme und echten Entertainerqualitäten führte, sodass man trotz allem ganz gut unterhalten wurde, obwohl die ganze Show nie wirklich punkrockig war.

Ganz am Ende, als Turbostaat ihr Konzert beendet hatten, bewies Olli Schulz aber dann doch noch, dass er trotz Moderatorenanzug immer noch der Deutschpunker ist, der er schon immer gewesen sein will. Begleitet von Turbostaat, sang er sich durch die letzte Nummer des Abends, und man hatte einen Moment lang das Gefühl, dass uns Deutschpunk, versehen mit dem nötigen Quäntchen Selbstironie, vielleicht wirklich immer noch etwas zu sagen hat.